Сиддхартха (На немецком языке)
Шрифт:
Betroffen blickte Siddhartha zur Erde. Leise fragte er: "Was, meinst du, soll ich tun?"
Sprach Vasudeva: "Bring ihn zur Stadt, bringe ihn in seiner Mutter Haus, es werden noch Diener dort sein, denen gib ihn. Und wenn keine mehr da sind, so bringe ihn einem Lehrer, nicht der Lehre wegen, aber dass er zu anderen Knaben komme, und zu MXdchen, und in die Welt, welche die seine ist. Hast du daran nie gedacht?"
"Du siehst in mein Herz," sprach Siddhartha traurig. "Oft habe ich daran gedacht. Aber sieh, wie soll ich ihn, der ohnehin kein sanftes Herz hat, in diese Welt geben? Wird er nicht Xppig werden, wird er nicht sich an Lust und Macht verlieren, wird er nicht alle IrrtXmer seines Vaters wiederholen, wird er nicht vielleicht ganz und gar in Sansara verloren gehen?"
Hell strahlte des FXhrmanns LXcheln auf; er berXhrte zart Siddharthas Arm und sagte: "Frage den Fluss darXber, Freund! HXre ihn darXber lachen! Glaubst du denn wirklich, dass du deine Torheiten begangen habest, um sie dem Sohn zu ersparen? Und kannst du denn deinen Sohn vor Sansara schXtzen? Wie denn? Durch Lehre, durch Gebet, durch Ermahnung? Lieber, hast du jene Geschichte denn ganz vergessen, jene lehrreiche Geschichte vom Brahmanensohn Siddhartha, die du mir einst hier an dieser Stelle erzXhlt hast? Wer hat den Samana Siddhartha vor Sansara bewahrt, vor SXnde, vor Habsucht, vor Torheit? Hat seines Vaters FrXmmigkeit, seiner Lehrer Ermahnung, hat sein eigenes Wissen, sein eigenes Suchen ihn bewahren kXnnen? Welcher Vater, welcher Lehrer hat ihn davor schXtzen kXnnen, selbst das Leben zu leben, selbst sich mit dem Leben zu beschmutzen, selbst Schuld auf sich zu laden, selbst den bitteren Trank zu trinken, selber seinen Weg zu finden?
Glaubst du denn, Lieber, dieser Weg bleibe irgend jemandem vielleicht erspart? Vielleicht deinem SXhnchen, weil du es liebst, weil du ihm gern Leid und Schmerz und EnttXuschung ersparen mXchtest? Aber auch wenn du zehnmal fXr ihn stXrbest, wXrdest du ihm nicht den kleinsten Teil seines Schicksals damit abnehmen kXnnen."
Noch niemals hatte Vasudeva so viele Worte gesprochen. Freundlich dankte ihm Siddhartha, ging bekXmmert in die HXtte, fand lange keinen Schlaf. Vasudeva hatte ihm nichts gesagt, das er nicht selbst schon gedacht und gewusst hXtte. Aber es war ein Wissen, das er nicht tun konnte, stXrker als das Wissen war seine Liebe zu dem Knaben, stXrker seine ZXrtlichkeit, seine Angst, ihn zu verlieren. Hatte er denn jemals an irgend etwas so sehr sein Herz verloren, hatte er je irgendeinen Menschen so geliebt, so blind, so leidend, so erfolglos, und doch so glXcklich?
Siddhartha konnte seines Freundes Rat nicht befolgen, er konnte den Sohn nicht hergeben. Er lieX sich von dem Knaben befehlen, er lieX sich von ihm missachten. Er schwieg und wartete, begann tXglich den stummen Kampf der Freundlichkeit, den lautlosen Krieg der Geduld. Auch Vasudeva schwieg und wartete, freundlich, wissend, langmXtig. In der Geduld waren sie beide Meister.
Einst, als des Knaben Gesicht ihn sehr an Kamala erinnerte, musste Siddhartha plXtzlich eines Wortes gedenken, das Kamala vor Zeiten, in den Tagen der Jugend, einmal zu ihm gesagt hatte. "Du kannst nicht lieben," hatte sie ihm gesagt, und er hatte ihr Recht gegeben und hatte sich mit einem Stern, die Kindermenschen aber mit fallendem Laub verglichen, und dennoch hatte er in jenem Wort auch einen Vorwurf gespXrt. In der Tat hatte er niemals sich an einen anderen Menschen ganz verlieren und hingeben kXnnen, sich selbst vergessen, Torheiten der Liebe eines anderen wegen begehen; nie hatte er das gekonnt, und dies war, wie ihm damals schien, der groXe Unterschied gewesen, der ihn von den Kindermenschen trennte. Nun aber, seit sein Sohn da war, nun war auch er, Siddhartha, vollends ein Kindermensch geworden, eines Menschen wegen leidend, einen Menschen liebend, an eine Liebe verloren, einer Liebe wegen ein Tor geworden. Nun fXhlte auch er, spXt, einmal im Leben diese stXrkste und seltsamste Leidenschaft, litt an ihr, litt klXglich, und war doch beseligt, war doch um etwas erneuert, um etwas reicher.
Wohl spXrte er, dass diese Liebe, diese blinde Liebe zu seinem Sohn eine Leidenschaft, etwas sehr Menschliches, dass sie Sansara sei, eine trXbe Quelle, ein dunkles Wasser. Dennoch, so fXhlte er gleichzeitig, war sie nicht wertlos, war sie notwendig, kam aus seinem eigenen Wesen. Auch diese Lust wollte gebXt, auch diese Schmerzen wollten gekostet sein, auch diese Torheiten begangen.
Der Sohn indessen lieX ihn seine Torheiten begehen, lieX ihn werben, lieX ihn tXglich sich vor seinen Launen demXtigen. Dieser Vater hatte nichts, was ihn entz ckt, und nichts, was er gef rchtet h tte. Er war ein guter Mann, dieser Vater, ein guter, g tiger, sanfter Mann, vielleicht ein sehr frommer Mann, vielleicht ein Heiliger % dies alles waren nicht Eigenschaften, welche den Knaben gewinnen konnten. Langweilig war ihm dieser Vater, der ihn da in seiner elenden Hatte gefangen hielt, langweilig war er ihm, und dass er jede Unart mit LXcheln, jeden Schimpf mit Freundlichkeit, jede Bosheit mit GXte beantwortete, das eben war die verhassteste List dieses alten Schleichers. Viel lieber wXre der Knabe von ihm bedroht, von ihm misshandelt worden.
Es kam ein Tag, an welchem des jungen Siddhartha Sinn zum Ausbruch kam und sich offen gegen seinen Vater wandte. Der hatte ihm einen Auftrag erteilt, er hatte ihn Reisig sammeln geheiXen. Der Knabe ging aber nicht aus der HXtte, er blieb trotzig und wXtend stehen, stampfte den Boden, ballte die FXuste, und schrie in gewaltigem Ausbruch seinem Vater Hass und Verachtung ins Gesicht.
"Hole du selber dein Reisig!" rief er schXumend, "ich bin nicht dein Knecht. Ich weiX ja, dass du mich nicht schlXgst, du wagst es ja nicht; ich weiX ja, dass du mich mit deiner FrXmmigkeit und deiner Nachsicht bestXndig strafen und klein machen willst. Du willst, dass ich werden soll wie du, auch so fromm, auch so sanft, auch so weise! Ich aber, hXre, ich will, dir zu Leide, lieber ein StraXenrXuber und MXrder werden und zur HXlle fahren, als so werden wie du! Ich hasse dich, du bist nicht mein Vater, und wenn du zehnmal meiner Mutter Buhle gewesen bist!"
Zorn und Gram liefen in ihm Xber, schXumten in hundert wXsten und bXsen Worten dem Vater entgegen. Dann lief der Knabe davon und kam erst spXt am Abend wieder.
Am andern Morgen aber war er verschwunden. Verschwunden war auch ein kleiner, aus zweifarbigem Bast geflochtener Korb, in welchem die FXhrleute jene Kupfer— und SilbermXnzen aufbewahrten, welche sie als FXhrlohn erhielten. Verschwunden war auch das Boot, Siddhartha sah es am jenseitigen Ufer liegen. Der Knabe war entlaufen.
"Ich muss ihm folgen," sagte Siddhartha, der seit jenen gestrigen Schimpfreden des Knaben vor Jammer zitterte. "Ein Kind kann nicht allein durch den Wald gehen. Er wird umkommen. Wir mXssen ein Floss bauen, Vasudeva, um Xbers Wasser zu kommen."
"Wir werden ein Floss bauen," sagte Vasudeva, "um unser Boot wieder zu holen, das der Junge entfXhrt hat. Ihn aber solltest du laufen lassen, Freund, er ist kein Kind mehr, er weiX sich zu helfen. Er sucht den Weg nach der Stadt, und er hat Recht, vergiss das nicht. Er tut das, was du selbst zu tun versXumt hast. Er sorgt fXr sich, er geht seine Bahn. Ach, Siddhartha, ich sehe dich leiden, aber du leidest Schmerzen, Xber die man lachen mXchte, Xber die du selbst bald lachen wirst."
Siddhartha antwortete nicht. Er hielt schon das Beil in HXnden, und begann ein Floss aus Bambus zu machen, und Vasudeva half ihm, die StXmme mit Grasseilen zuzammen zu binden. Dann fuhren sie hinXber, wurden weit abgetrieben, zogen das Floss am jenseitigen Ufer flussauf.
"Warum hast du das Beil mitgenommen?" fragte Siddhartha.
Vasudeva sagte: "Es kXnnte sein, dass das Ruder unsres Bootes verloren gegangen wXre."
Siddhartha aber wusste, was sein Freund dachte. Er dachte, der Knabe werde das Ruder weggeworfen oder zerbrochen haben, um sich zu rXchen und um sie an der Verfolgung zu hindern. Und wirklich war kein Ruder mehr im Boote. Vasudeva wies auf den Boden des Bootes, und sah den Freund mit LXcheln an, als wollte er sagen; "Siehst du nicht, was dein Sohn dir sagen will? Siehst du nicht, dass er nicht verfolgt sein will?" Doch sagte er dies nicht mit Worten. Er machte sich daran, ein neues Ruder zu zimmern. Siddhartha aber nahm Abschied, um nach dem Entflohenen zu suchen. Vasudeva hinderte ihn nicht.
Als Siddhartha schon lange im Walde unterwegs war, kam ihm der Gedanke, dass sein Suchen nutzlos sei. Entweder, so dachte er, war der Knabe lXngst voraus und schon in der Stadt angelangt, oder, wenn er noch unterwegs sein sollte, wXrde er vor ihm, dem Verfolgenden, sich verborgen halten. Da er weiter dachte, fand er auch, dass er selbst nicht in Sorge um seinen Sohn war, dass er im Innersten wusste, er sei weder umgekommen, noch drohe ihm im Walde Gefahr. Dennoch lief er ohne Rast, nicht mehr, um ihn zu retten, nur aus Verlangen, nur um ihn vielleicht nochmals zu sehen. Und er lief bis vor die Stadt.