1913 Созерцание (сборник)
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Ich aber bin gleich allein im Lift, und schaue, auf die Knie gest"utzt, in den schmalen Spiegel. Als der Lift sich zu heben anf"angt, sage ich:
»Seid still, tretet zur"uck, wollt Ihr in den Schatten der B"aume, hinter die Draperien der Fenster, in das Laubengew"olbe?«
Ich rede mit den Z"ahnen und die Treppengel"ander gleiten an den Milchglasscheiben hinunter wie st"urzendes Wasser.
»Flieget weg; Euere Fl"ugel, die ich niemals gesehen habe, m"ogen Euch ins d"orfliche Tal tragen oder nach Paris, wenn es Euch dorthin treibt.
Doch geniesset die Aussicht des Fensters, wenn die Prozessionen aus allen drei Strassen kommen, einander nicht ausweichen, durcheinander gehn und zwischen ihren letzten Reihen den freien Platz wieder entstehen lassen. Winket mit den T"uchern, seid entsetzt, seid ger"uhrt, lobet die sch"one Dame, die vor"uberf"ahrt.
Geht "uber den Bach auf der h"olzernen Br"ucke, nickt den badenden Kindern zu und staunet "uber das Hurra der tausend Matrosen auf dem fernen Panzerschiff.
Verfolget nur den unscheinbaren Mann und wenn Ihr ihn in einen Torweg gestossen habt, beraubt ihn und seht ihm dann, jeder die H"ande in den Taschen, nach, wie er traurig seines Weges in die linke Gasse geht.
Die verstreut auf ihren Pferden galoppierende Polizei b"andigt die Tiere und dr"angt Euch zur"uck. Lasset sie, die leeren Gassen werden sie ungl"ucklich machen, ich weiss es. Schon reiten sie, ich bitte, paarweise weg, langsam um die Strassenecken, fliegend "uber die Pl"atze.«
Dann muss ich aussteigen, den Aufzug hinunterlassen, an der T"urglocke l"auten, und das M"adchen "offnet die T"ur, w"ahrend ich gr"usse.
8. ZERSTREUTES HINAUSSCHAUN
Was werden wir in diesen Fr"uhlingstagen tun, die jetzt rasch kommen? Heute fr"uh war der Himmel grau, geht man aber jetzt zum Fenster, so ist man "uberrascht und lehnt die Wange an die Klinke des Fensters.
Unten sieht man das Licht der freilich schon sinkenden Sonne auf dem Gesicht des kindlichen M"adchens, das so geht und sich umschaut, und zugleich sieht man den Schatten des Mannes darauf, der hinter ihm rascher kommt.
Dann ist der Mann schon vor"ubergegangen und das Gesicht des Kindes ist ganz hell.
9. DER NACHHAUSEWEG
Man sehe die "Uberzeugungskraft der Luft nach dem Gewitter! Meine Verdienste erscheinen mir und "uberw"altigen mich, wenn ich mich auch nicht str"aube.
Ich marschiere und mein Tempo ist das Tempo dieser Gassenseite, dieser Gasse, dieses Viertels. Ich bin mit Recht verantwortlich f"ur alle Schl"age gegen T"uren, auf die Platten der Tische, f"ur alle Trinkspr"uche, f"ur die Liebespaare in ihren Betten, in den Ger"usten der Neubauten, in dunklen Gassen an die H"ausermauern gepresst, auf den Ottomanen der Bordelle.
Ich sch"atze meine Vergangenheit gegen meine Zukunft, finde aber beide vortrefflich, kann keiner von beiden den Vorzug geben und nur die Ungerechtigkeit der Vorsehung, die mich so beg"unstigt, muss ich tadeln.
Nur als ich in mein Zimmer trete, bin ich ein wenig nachdenklich, aber ohne dass ich w"ahrend des Treppensteigens etwas Nachdenkenswertes gefunden h"atte. Es hilft mir nicht viel, dass ich das Fenster g"anzlich "offne und dass in einem Garten die Musik noch spielt.
10. DIE VOR"UBERLAUFENDEN
Wenn man in der Nacht durch eine Gasse spazieren geht, und ein Mann, von weitem schon sichtbar – denn die Gasse vor uns steigt an und es ist Vollmond – uns entgegenl"auft, so werden wir ihn nicht anpacken, selbst wenn er schwach und zerlumpt ist, selbst wenn jemand hinter ihm l"auft und schreit, sondern wir werden ihn weiter laufen lassen.
Denn es ist Nacht, und wir k"onnen nicht daf"ur, dass die Gasse im Vollmond vor uns aufsteigt, und "uberdies, vielleicht haben diese zwei die Hetze zu ihrer Unterhaltung veranstaltet, vielleicht verfolgen beide einen dritten, vielleicht wird der erste unschuldig verfolgt, vielleicht will der zweite morden, und wir w"urden Mitschuldige des Mordes, vielleicht wissen die zwei nichts von einander, und es l"auft nur jeder auf eigene Verantwortung in sein Bett, vielleicht sind es Nachtwandler, vielleicht hat der erste Waffen.
Und endlich, d"urfen wir nicht m"ude sein, haben wir nicht soviel Wein getrunken? Wir sind froh, dass wir auch den zweiten nicht mehr sehn.
11. DER FAHRGAST
Ich stehe auf der Plattform des elektrischen Wagens und bin vollst"andig unsicher in R"ucksicht meiner Stellung in dieser Welt, in dieser Stadt, in meiner Familie. Auch nicht beil"aufig k"onnte ich angeben, welche Anspr"uche ich in irgendeiner Richtung mit Recht vorbringen k"onnte. Ich kann es gar nicht verteidigen, dass ich auf dieser Plattform stehe, mich an dieser Schlinge halte, von diesem Wagen mich tragen lasse, dass Leute dem Wagen ausweichen oder still gehn oder vor den Schaufenstern ruhn. – Niemand verlangt es ja von mir, aber das ist gleichg"ultig.
Der Wagen n"ahert sich einer Haltestelle, ein M"adchen stellt sich nahe den Stufen, zum Aussteigen bereit. Sie erscheint mir so deutlich, als ob ich sie betastet h"atte. Sie ist schwarz gekleidet, die Rockfalten bewegen sich fast nicht, die Bluse ist knapp und hat einen Kragen aus weisser kleinmaschiger Spitze, die linke Hand h"alt sie flach an die Wand, der Schirm in ihrer Rechten steht auf der zweitobersten Stufe. Ihr Gesicht ist braun, die Nase, an den Seiten schwach gepresst, schliesst rund und breit ab. Sie hat viel braunes Haar und verwehte H"archen an der rechten Schl"afe. Ihr kleines Ohr liegt eng an, doch sehe ich, da ich nahe stehe, den ganzen R"ucken der rechten Ohrmuschel und den Schatten an der Wurzel.
Ich fragte mich damals: Wieso kommt es, dass sie nicht "uber sich verwundert ist, dass sie den Mund geschlossen h"alt und nichts dergleichen sagt?
12. KLEIDER
Oft wenn ich Kleider mit vielfachen Falten, R"uschen und Beh"angen sehe, die "uber sch"onen K"orper sch"on sich legen, dann denke ich, dass sie nicht lange so erhalten bleiben, sondern Falten bekommen, nicht mehr gerade zu gl"atten, Staub bekommen, der, dick in der Verzierung, nicht mehr zu entfernen ist, und dass niemand so traurig und l"acherlich sich wird machen wollen, t"aglich das gleiche kostbare Kleid fr"uh anzulegen und abends auszuziehn.