Mar?a. Deutsch
Шрифт:
–Und gehst du zuerst?
– fragte Bruno.
–Nein", antwortete ich, "wir sind eingeladen.
In den fruhen Morgenstunden des nachsten Samstags wurden Bruno und Remigia getraut. An diesem Abend um sieben Uhr stiegen mein Vater und ich auf, um zum Tanz zu gehen, dessen Musik wir gerade zu horen begannen. Als wir ankamen, kam Julian, der Sklavenkapitan der Bande, heraus, um uns den Steigbugel zu nehmen und unsere Pferde in Empfang zu nehmen. Er trug sein Sonntagskleid, und an seiner Hufte hing die lange, versilberte Machete, das Abzeichen seiner Arbeit. Ein Zimmer in unserem alten Wohnhaus war von den Arbeitsmitteln befreit worden, um den Ball darin abzuhalten. An einem holzernen Kronleuchter, der von einem der Dachsparren herabhing, drehten sich ein halbes Dutzend Lichter; die Musiker und Sanger, eine Mischung aus Aggregaten, Sklaven und Freigelassenen, nahmen eine der Turen ein. Es gab nur zwei Rohrfloten, eine improvisierte Trommel, zwei Alfandoques und ein Tamburin; aber die feinen Stimmen der Negritos intonierten die Bambucos mit solcher Meisterschaft; es gab in ihren Liedern eine so innige Verbindung von melancholischen, freudigen und leichten Akkorden; die Verse, die sie sangen, waren so zart und einfach, dass der gelehrteste Dilettant dieser halbwilden Musik in Ekstase zugehort hatte. Wir betraten das Zimmer in unseren Huten und Mutzen. Remigia und Bruno tanzten in diesem Moment: Sie trug einen Follao aus blauen Boleros, einen rotblutigen Tumbadillo, ein weisses, schwarz besticktes Hemd, ein Halsband und Ohrringe aus rubinrotem Glas und tanzte mit der ganzen Sanftheit und Anmut, die man von ihrer Cimbrador-Statur erwarten konnte. Bruno, mit seinen gefadelten Ruana-Tuchern, die er uber die Schultern gelegt hatte, seinen bunten Deckenhosen, seinem abgeflachten weissen Hemd und einem neuen Cabiblanco um die Taille, wippte mit bewundernswerter Geschicklichkeit mit den Fussen.
Nach dieser Hand, wie die Bauern jeden Tanz nennen, spielten die Musiker ihren schonsten Bambuco, denn Julian kundigte an, dass er fur den Meister sei. Remigia, die von ihrem Mann und dem Hauptmann ermutigt wurde, entschloss sich endlich, ein paar Augenblicke mit meinem Vater zu tanzen: aber dann wagte sie es nicht, die Augen zu heben, und ihre Bewegungen beim Tanz waren weniger spontan. Nach einer Stunde zogen wir uns zuruck.
Mein Vater war mit meiner Aufmerksamkeit wahrend des Besuchs, den wir auf den Gutern machten, zufrieden; aber als ich ihm sagte, dass ich von nun an seine Muhen teilen wolle, indem ich an seiner Seite bliebe, teilte er mir fast mit Bedauern mit, dass er gezwungen sei, sein eigenes Wohlergehen fur mich zu opfern, indem er das Versprechen einloste, das er mir einige Zeit zuvor gegeben hatte, mich nach Europa zu schicken, um meine medizinischen Studien zu beenden, und dass ich meine Reise spatestens in vier Monaten antreten sollte. Wahrend er so zu mir sprach, nahm seine Miene den feierlichen Ernst an, der ihm eigen war, wenn er unwiderrufliche Entschlusse fasste. Dies geschah an dem Abend, als wir in die Sierra zuruckkehrten. Es wurde schon dunkel, und wenn es nicht so gewesen ware, hatte ich die Erregung bemerkt, die seine Weigerung in mir ausloste. Der Rest der Reise verlief schweigend; wie glucklich ware ich gewesen, Maria wiederzusehen, wenn die Nachricht von dieser Reise nicht in diesem Augenblick zwischen sie und meine Hoffnungen getreten ware!
Kapitel VI
Was war in diesen vier Tagen in Marias Seele geschehen?
Sie war gerade dabei, eine Lampe auf einen der Tische im Salon zu stellen, als ich mich ihr naherte, um sie zu begrussen, und ich war schon uberrascht, sie nicht inmitten der Familiengruppe auf der Treppe zu sehen, von der wir gerade abgestiegen waren. Das Zittern ihrer Hand entblosste die Lampe, und ich half ihr, weniger ruhig, als ich glaubte, zu sein. Sie schien mir etwas blass zu sein, und um ihre Augen lag ein leichter Schatten, der fur jemanden, der sie ohne hinzusehen gesehen hatte, nicht wahrnehmbar war. Sie wandte ihr Gesicht meiner Mutter zu, die gerade sprach und mich daran hinderte, es in dem Licht, das in unserer Nahe herrschte, zu betrachten, und da bemerkte ich, dass an einem ihrer Zopfe eine verwelkte Nelke hing, die ich ihr zweifellos am Tag vor meiner Abreise ins Tal geschenkt hatte. Das kleine Kreuz aus emaillierter Koralle, das ich ihr mitgebracht hatte, trug sie wie die meiner Schwestern an einer schwarzen Haarschnur um den Hals. Sie sass schweigend in der Mitte der Platze, die meine Mutter und ich einnahmen. Da der Entschluss meines Vaters uber meine Reise nicht aus meinem Gedachtnis verschwand, muss ich ihr traurig erschienen sein, denn sie sagte mit fast leiser Stimme zu mir:
–Hat die Reise Sie verletzt?
–Nein, Maria", antwortete ich, "aber wir waren so viel in der Sonne und spazieren....
Ich wollte ihr noch etwas sagen, aber der vertrauliche Akzent in ihrer Stimme, das neue Licht in ihren Augen, das mich uberraschte, hinderten mich daran, mehr zu tun, als sie anzuschauen, bis ich, als ich bemerkte, dass sie durch die unwillkurliche Fixierung meiner Blicke in Verlegenheit geriet, und mich von einem meiner Vater untersucht fand (noch angstlicher, als ein gewisses fluchtiges Lacheln uber seine Lippen wanderte), das Zimmer verliess und in mein Zimmer ging.
Ich schloss die Turen. Da waren die Blumen, die sie fur mich gepfluckt hatte: ich kusste sie; ich wollte alle ihre Dufte auf einmal einatmen, suchte in ihnen die von Marias Kleidern; ich badete sie mit meinen Tranen.... Ach, ihr, die ihr nicht um ein solches Gluck geweint habt, weint aus Verzweiflung, wenn eure Jugend vorbei ist, weil ihr nie wieder lieben werdet!
Erste Liebe!… edler Stolz, sich geliebt zu fuhlen: susses Opfer von allem, was uns vorher lieb war, zugunsten der geliebten Frau: Gluck, das wir, fur einen Tag mit den Tranen eines ganzen Lebens erkauft, als Geschenk von Gott erhalten wurden: Parfum fur alle Stunden der Zukunft: unausloschliches Licht der Vergangenheit: Blume, die in der Seele bewahrt wird und der es nicht gegeben ist, dass Enttauschungen sie verwelken: einziger Schatz, den der Neid der Menschen uns nicht entreissen kann: kostliches Delirium… Inspiration vom Himmel… Maria, Maria, wie habe ich dich geliebt, wie habe ich dich geliebt, wie habe ich dich geliebt…
Kapitel VII
Als mein Vater seine letzte Reise nach Westindien unternahm, hatte Solomon, ein Cousin von ihm, den er von Kindheit an geliebt hatte, gerade seine Frau verloren. Sehr jung waren sie zusammen nach Sudamerika gekommen; und auf einer ihrer Reisen verliebte sich mein Vater in die Tochter eines Spaniers, eines unerschrockenen Marinekapitans, der, nachdem er einige Jahre aus dem Dienst ausgeschieden war, 1819 gezwungen war, zur Verteidigung der spanischen Konige wieder zu den Waffen zu greifen, und der am zwanzigsten Mai 1820 in Majagual erschossen wurde.
Die Mutter der jungen Frau, die mein Vater liebte, verlangte von ihm, der judischen Religion abzuschworen, um sie zur Frau nehmen zu konnen. Mein Vater wurde im Alter von zwanzig Jahren Christ. Seine Cousine war damals der katholischen Religion zugetan, aber er gab ihrem Drangen, sich ebenfalls taufen zu lassen, nicht nach, denn er wusste, dass das, was mein Vater getan hatte, um ihm die Frau zu geben, die er wollte, ihn daran hindern wurde, von der Frau, die er liebte, in Jamaika akzeptiert zu werden.
Nach einigen Jahren der Trennung trafen sich die beiden Freunde wieder. Salomo war bereits Witwer. Sarah, seine Frau, hatte ihm ein Kind hinterlassen, das damals drei Jahre alt war. Mein Vater fand ihn durch den Kummer moralisch und korperlich entstellt, und dann gab ihm seine neue Religion Trost fur seine Cousine, Trost, den die Verwandten vergeblich gesucht hatten, um ihn zu retten. Er drangte Salomo, ihm seine Tochter zu geben, um sie an unserer Seite zu erziehen, und er wagte es, ihr vorzuschlagen, dass er sie zur Christin machen wurde. Salomo willigte ein und sagte: "Es ist wahr, dass meine Tochter allein mich davon abgehalten hat, eine Reise nach Indien zu unternehmen, die meinen Geist verbessern und meiner Armut abhelfen wurde; sie ist auch mein einziger Trost nach Sarahs Tod gewesen; aber wenn du es willst, soll sie deine Tochter sein. Christliche Frauen sind lieb und gut, und deine Frau muss eine heilige Mutter sein. Wenn das Christentum in hochsten Unglucksfallen die Erleichterung gibt, die du mir gegeben hast, wurde ich vielleicht meine Tochter unglucklich machen, indem ich sie als Judin zurucklasse. Sagen Sie es nicht unseren Verwandten, aber wenn Sie die erste Kuste erreichen, wo es einen katholischen Priester gibt, lassen Sie sie taufen und den Namen Esther in Maria andern. Dies sagte der ungluckliche Mann und vergoss dabei viele Tranen.
Einige Tage spater legte der Schoner, der meinen Vater an die Kuste von Neu-Granada bringen sollte, in Montego Bay ab. Das leichte Schiff probierte gerade seine weissen Flugel aus, so wie ein Reiher in unseren Waldern seine Flugel ausprobiert, bevor er zu einem langen Flug aufbricht. Salomon betrat das Zimmer meines Vaters, der gerade seinen Schiffsanzug flickte, und trug Esther auf dem einen Arm, wahrend am anderen eine Truhe hing, die das Gepack des Kindes enthielt: Sie streckte ihrem Onkel ihre kleinen Arme entgegen, und Salomon legte sie in die seines Freundes und warf sich schluchzend auf den kleinen Stiefel. Dieses Kind, dessen kostbares Haupt soeben mit einem Tranenschauer eher die Taufe des Kummers als die Religion Jesu ubergossen hatte, war ein heiliger Schatz; mein Vater kannte ihn gut und vergass ihn nie. Als er in das Boot sprang, das sie trennen sollte, erinnerte ihn sein Freund an ein Versprechen, und er antwortete mit erstickter Stimme: "Die Gebete meiner Tochter fur mich und meine fur sie und ihre Mutter sollen gemeinsam zu den Fussen des Gekreuzigten aufsteigen.
Ich war sieben Jahre alt, als mein Vater zuruckkehrte, und ich verschmahte die kostbaren Spielsachen, die er mir von seiner Reise mitgebracht hatte, um dieses schone, susse, lachelnde Kind zu bewundern. Meine Mutter uberhaufte sie mit Liebkosungen, und meine Schwestern uberhauften sie mit Zartlichkeit, von dem Moment an, als mein Vater sie auf den Schoss seiner Frau legte und sagte: "Das ist die Tochter Salomos, die er zu dir geschickt hat.
Wahrend unserer kindlichen Spiele begannen ihre Lippen, kastilische Akzente zu modulieren, die im Mund einer hubschen Frau und im lachenden Mund eines Kindes so harmonisch und verfuhrerisch sind.