1919 Сельский врач (сборник)
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6. SCHAKALE UND ARABER
Wir lagerten in der Oase. Die Gef"ahrten schliefen. Ein Araber, hoch und weiss, kam an mir vor"uber; er hatte die Kamele versorgt und ging zum Schlafplatz.
Ich warf mich r"ucklings ins Gras; ich wollte schlafen; ich konnte nicht; das Klagegeheul eines Schakals in der Ferne; ich sass wieder aufrecht. Und was so weit gewesen war, war pl"otzlich nah. Ein Gewimmel von Schakalen um mich her; in mattem Gold ergl"anzende, verl"oschende Augen; schlanke Leiber, wie unter einer Peitsche gesetzm"assig und flink bewegt.
Einer kam von r"uckw"arts, dr"angte sich, unter meinem Arm durch, eng an mich, als brauche er meine W"arme, trat dann vor mich und sprach, fast Aug in Aug mit mir:
»Ich bin der "alteste Schakal, weit und breit. Ich bin gl"ucklich, dich noch hier begr"ussen zu k"onnen. Ich hatte schon die Hoffnung fast aufgegeben, denn wir warten unendlich lange auf dich; meine Mutter hat gewartet und ihre Mutter und weiter alle ihre M"utter bis hinauf zur Mutter aller Schakale. Glaube es!«
»Das wundert mich,« sagte ich und vergass, den Holzstoss anzuz"unden, der bereit lag, um mit seinem Rauch die Schakale abzuhalten,
Und wie ermutigt durch diesen vielleicht allzu freundlichen Zuspruch zogen sie ihren Kreis enger um mich; alle atmeten kurz und fauchend.
»Wir wissen,« begann der "Alteste, »dass du vom Norden kommst, darauf eben baut sich unsere Hoffnung. Dort ist der Verstand, der hier unter den Arabern nicht zu finden ist. Aus diesem kalten Hochmut, weisst du, ist kein Funken Verstand zu schlagen. Sie t"oten Tiere, um sie zu fressen, und Aas missachten sie.«
»Rede nicht so laut,« sagte ich, »es schlafen Araber in der N"ahe.«
»Du bist wirklich ein Fremder,« sagte der Schakal, »sonst w"usstest du, dass noch niemals in der Weltgeschichte ein Schakal einen Araber gef"urchtet hat. F"urchten sollten wir sie? Ist es nicht Ungl"uck genug, dass wir unter solches Volk verstossen sind?«
»Mag sein, mag sein,« sagte ich, »ich masse mir kein Urteil an in Dingen, die mir so fern liegen; es scheint ein sehr alter Streit; liegt also wohl im Blut; wird also vielleicht erst mit dem Blute enden.«
»Du bist sehr klug,« sagte der alte Schakal; und alle atmeten noch schneller; mit gehetzten Lungen, trotzdem sie doch stillestanden; ein bitterer, zeitweilig nur mit zusammengeklemmten Z"ahnen ertr"aglicher Geruch entstr"omte den offenen M"aulern, »du bist sehr klug; das, was du sagst, entspricht unserer alten Lehre. Wir nehmen ihnen also ihr Blut und der Streit ist zu Ende.«
»Oh!« sagte ich wilder, als ich wollte, »sie werden sich wehren; sie werden mit ihren Flinten euch rudelweise niederschiessen.«
»Du missverstehst uns,« sagte er, »nach Menschenart, die sich also auch im hohen Norden nicht verliert. Wir werden sie doch nicht t"oten. Soviel Wasser h"atte der Nil nicht, um uns rein zu waschen. Wir laufen doch schon vor dem blossen Anblick ihres lebenden Leibes weg, in reinere Luft, in die W"uste, die deshalb unsere Heimat ist.«
Und alle Schakale ringsum, zu denen inzwischen noch viele von fernher gekommen waren, senkten die K"opfe zwischen die Vorderbeine und putzten sie mit den Pfoten; es war, als wollten sie einen Widerwillen verbergen, der so schrecklich war, dass ich am liebsten mit einem hohen Sprung aus ihrem Kreis entflohen w"are.
»Was beabsichtigt Ihr also zu tun,« fragte ich und wollte aufstehn; aber ich konnte nicht; zwei junge Tiere hatten sich mir hinten in Rock und Hemd festgebissen; ich musste sitzen bleiben. »Sie halten deine Schleppe,« sagte der alte Schakal erkl"arend und ernsthaft, »eine Ehrbezeugung.« »Sie sollen mich loslassen!« rief ich, bald zum Alten, bald zu den Jungen gewendet. »Sie werden es nat"urlich,« sagte der Alte, »wenn du es verlangst. Es dauert aber ein Weilchen, denn sie haben nach der Sitte tief sich eingebissen und m"ussen erst langsam die Gebisse voneinander l"osen. Inzwischen h"ore unsere Bitte.« »Euer Verhalten hat mich daf"ur nicht sehr empf"anglich gemacht,« sagte ich. »Lass uns unser Ungeschick nicht entgelten,« sagte er und nahm jetzt zum erstenmal den Klageton seiner nat"urlichen Stimme zu Hilfe, »wir sind arme Tiere, wir haben nur das Gebiss; f"ur alles, was wir tun wollen, das Gute und das Schlechte, bleibt uns einzig das Gebiss.« »Was willst du also?« fragte ich, nur wenig bes"anftigt.
»Herr,« rief er, und alle Schakale heulten auf; in fernster Ferne schien es mir eine Melodie zu sein. »Herr, du sollst den Streit beenden, der die Welt entzweit. So wie du bist, haben unsere Alten den beschrieben, der es tun wird. Frieden m"ussen wir haben von den Arabern; atembare Luft; gereinigt von ihnen den Ausblick rund am Horizont; kein Klagegeschrei eines Hammels, den der Araber absticht; ruhig soll alles Getier krepieren; ungest"ort soll es von uns leergetrunken und bis auf die Knochen gereinigt werden. Reinheit, nichts als Reinheit wollen wir,« – und nun weinten, schluchzten alle – »wie ertr"agst nur du es in dieser Welt, du edles Herz und s"usses Eingeweide? Schmutz ist ihr Weiss; Schmutz ist ihr Schwarz; ein Grauen ist ihr Bart; speien muss man beim Anblick ihrer Augenwinkel; und heben sie den Arm, tut sich in der Achselh"ohle die H"olle auf. Darum, o Herr, darum o teuerer Herr, mit Hilfe deiner alles verm"ogenden H"ande, mit Hilfe deiner alles verm"ogenden H"ande schneide ihnen mit dieser Schere die H"alse durch!« Und einem Ruck seines Kopfes folgend kam ein Schakal herbei, der an einem Eckzahn eine kleine, mit altem Rost bedeckte N"ahschere trug.
»Also endlich die Schere und damit Schluss!« rief der Araberf"uhrer unserer Karawane, der sich gegen den Wind an uns herangeschlichen hatte und nun seine riesige Peitsche schwang.
Alles verlief sich eiligst, aber in einiger Entfernung blieben sie doch, eng zusammengekauert, die vielen Tiere so eng und starr, dass es aussah wie eine schmale H"urde, von Irrlichtern umflogen.
»So hast du, Herr, auch dieses Schauspiel gesehen und geh"ort,« sagte der Araber und lachte so fr"ohlich, als es die Zur"uckhaltung seines Stammes erlaubte. »Du weisst also, was die Tiere wollen?« fragte ich. »Nat"urlich, Herr,« sagte er, »das ist doch allbekannt; solange es Araber gibt, wandert diese Schere durch die W"uste und wird mit uns wandern bis ans Ende der Tage. Jedem Europ"aer wird sie angeboten zu dem grossen Werk; jeder Europ"aer ist gerade derjenige, welcher ihnen berufen scheint. Eine unsinnige Hoffnung haben diese Tiere; Narren, wahre Narren sind sie. Wir lieben sie deshalb; es sind unsere Hunde; sch"oner als die Eurigen. Sieh nur, ein Kamel ist in der Nacht verendet, ich habe es herschaffen lassen.«
Vier Tr"ager kamen und warfen den schweren Kadaver vor uns hin. Kaum lag er da, erhoben die Schakale ihre Stimmen. Wie von Stricken unwiderstehlich jeder einzelne gezogen, kamen sie, stockend, mit dem Leib den Boden streifend, heran. Sie hatten die Araber vergessen, den Hass vergessen, die alles ausl"oschende Gegenwart des stark ausdunstenden Leichnams bezauberte sie. Schon hing einer am Hals und fand mit dem ersten Biss die Schlagader. Wie eine kleine rasende Pumpe, die ebenso unbedingt wie aussichtslos einen "uberm"achtigen Brand l"oschen will, zerrte und zuckte jede Muskel seines K"orpers an ihrem Platz. Und schon lagen in gleicher Arbeit alle auf dem Leichnam hoch zu Berg.
Da strich der F"uhrer kr"aftig mit der scharfen Peitsche kreuz und quer "uber sie. Sie hoben die K"opfe; halb in Rausch und Ohnmacht; sahen die Araber vor sich stehen; bekamen jetzt die Peitsche mit den Schnauzen zu f"uhlen; zogen sich im Sprung zur"uck und liefen eine Strecke r"uckw"arts. Aber das Blut des Kamels lag schon in Lachen da, rauchte empor, der K"orper war an mehreren Stellen weit aufgerissen. Sie konnten nicht widerstehen; wieder waren sie da; wieder hob der F"uhrer die Peitsche; ich fasste seinen Arm.