1919 Сельский врач (сборник)
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Mein neunter Sohn ist sehr elegant und hat den f"ur Frauen bestimmten s"ussen Blick. So s"uss, dass er bei Gelegenheit sogar mich verf"uhren kann, der ich doch weiss, dass f"ormlich ein nasser Schwamm gen"ugt, um allen diesen "uberirdischen Glanz wegzuwischen. Das Besondere an diesem Jungen aber ist, dass er gar nicht auf Verf"uhrung ausgeht; ihm w"urde es gen"ugen, sein Leben lang auf dem Kanapee zu liegen und seinen Blick an die Zimmerdecke zu verschwenden oder noch viel lieber ihn unter den Augenlidern ruhen zu lassen. Ist er in dieser von ihm bevorzugten Lage, dann spricht er gern und nicht "ubel; gedr"angt und anschaulich; aber doch nur in engen Grenzen; geht er "uber sie hinaus, was sich bei ihrer Enge nicht vermeiden l"asst, wird sein Reden ganz leer. Man w"urde ihm abwinken, wenn man Hoffnung h"atte, dass dieser mit Schlaf gef"ullte Blick es bemerken k"onnte.
Mein zehnter Sohn gilt als unaufrichtiger Charakter. Ich will diesen Fehler nicht ganz in Abrede stellen, nicht ganz best"atigen. Sicher ist, dass, wer ihn in der weit "uber sein Alter hinausgehenden Feierlichkeit herankommen sieht, im immer festgeschlossenen Gehrock, im alten, aber "ubersorgf"altig geputzten schwarzen Hut, mit dem unbewegten Gesicht, dem etwas vorragenden Kinn, den schwer "uber die Augen sich w"olbenden Lidern, den manchmal an den Mund gef"uhrten zwei Fingern – wer ihn so sieht, denkt: das ist ein grenzenloser Heuchler. Aber, nun h"ore man ihn reden! Verst"andig; mit Bedacht; kurz angebunden; mit boshafter Lebendigkeit Fragen durchkreuzend; in erstaunlicher, selbstverst"andlicher und froher "Ubereinstimmung mit dem Weltganzen; eine "Ubereinstimmung, die notwendigerweise den Hals strafft und den Kopf erheben l"asst. Viele, die sich sehr klug d"unken und die sich, aus diesem Grunde wie sie meinten, von seinem "Aussern abgestossen f"uhlten, hat er durch sein Wort stark angezogen. Nun gibt es aber wieder Leute, die sein "Ausseres gleichg"ultig l"asst, denen aber sein Wort heuchlerisch erscheint. Ich, als Vater, will hier nicht entscheiden, doch muss ich eingestehen, dass die letzteren Beurteiler jedenfalls beachtenswerter sind als die ersteren.
Mein elfter Sohn ist zart, wohl der schw"achste unter meinen S"ohnen; aber t"auschend in seiner Schw"ache; er kann n"amlich zu Zeiten kr"aftig und bestimmt sein, doch ist allerdings selbst dann die Schw"ache irgendwie grundlegend. Es ist aber keine besch"amende Schw"ache, sondern etwas, das nur auf diesem unsern Erdboden als Schw"ache erscheint. Ist nicht zum Beispiel auch Flugbereitschaft Schw"ache, da sie doch Schwanken und Unbestimmtheit und Flattern ist? Etwas Derartiges zeigt mein Sohn. Den Vater freuen nat"urlich solche Eigenschaften nicht; sie gehen ja offenbar auf Zerst"orung der Familie aus. Manchmal blickt er mich an, als wollte er mir sagen:
Das sind die elf S"ohne.
12. EIN BRUDERMORD
Es ist erwiesen, dass der Mord auf folgende Weise erfolgte:
Schmar, der M"order, stellte sich gegen neun Uhr abends in der mondklaren Nacht an jener Strassenecke auf, wo Wese, das Opfer, aus der Gasse, in welcher sein Bureau lag, in jene Gasse einbiegen musste, in der er wohnte.
Kalte, jeden durchschauernde Nachtluft. Aber Schmar hatte nur ein d"unnes blaues Kleid angezogen; das R"ockchen war "uberdies aufgekn"opft. Er f"uhlte keine K"alte; auch war er immerfort in Bewegung. Seine Mordwaffe, halb Bajonett, halb K"uchenmesser, hielt er ganz blossgelegt immer fest im Griff. Betrachtete das Messer gegen das Mondlicht; die Schneide blitzte auf; nicht genug f"ur Schmar; er hieb mit ihr gegen die Backsteine des Pflasters, dass es Funken gab; bereute es vielleicht; und um den Schaden gut zu machen, strich er mit ihr violinbogenartig "uber seine Stiefelsohle, w"ahrend er, auf einem Bein stehend, vorgebeugt, gleichzeitig dem Klang des Messers an seinem Stiefel, gleichzeitig in die schicksalsvolle Seitengasse lauschte.
Warum duldete das alles der Private Pallas, der in der N"ahe aus seinem Fenster im zweiten Stockwerk alles beobachtete? Ergr"unde die Menschennatur! Mit hochgeschlagenem Kragen, den Schlafrock um den weiten Leib geg"urtet, kopfsch"uttelnd, blickte er hinab.
Und f"unf H"auser weiter, ihm schr"ag gegen"uber, sah Frau Wese, den Fuchspelz "uber ihrem Nachthemd,nach ihrem Manne aus, der heute ungew"ohnlich lange z"ogerte.
Endlich ert"ont die T"urglocke vor Weses Bureau, zu laut f"ur eine T"urglocke, "uber die Stadt hin, zum Himmel auf, und Wese, der fleissige Nachtarbeiter, tritt dort, in dieser Gasse noch unsichtbar, nur durch das Glockenzeichen angek"undigt, aus dem Haus; gleich z"ahlt das Pflaster seine ruhigen Schritte.
Pallas beugt sich weit hervor; er darf nichts vers"aumen. Frau Wese schliesst, beruhigt durch die Glocke, klirrend ihr Fenster. Schmar aber kniet nieder; da er augenblicklich keine anderen Bl"ossen hat, dr"uckt er nur Gesicht und H"ande gegen die Steine; wo alles friert, gl"uht Schmar.
Gerade an der Grenze, welche die Gassen scheidet, bleibt Wese stehen, nur mit dem Stock st"utzt er sich in die jenseitige Gasse. Eine Laune. Der Nachthimmel hat ihn angelockt, das Dunkelblaue und das Goldene. Unwissend blickt er es an, unwissend streicht er das Haar unter dem gel"upften Hut; nichts r"uckt dort oben zusammen, um ihm die allern"achste Zukunft anzuzeigen; alles bleibt an seinem unsinnigen, unerforschlichen Platz. An und f"ur sich sehr vern"unftig, dass Wese weitergeht, aber er geht ins Messer des Schmar.
»Wese!« schreit Schmar, auf den Fussspitzen stehend, den Arm aufgereckt, das Messer scharf gesenkt, »Wese! Vergebens wartet Julia!« Und rechts in den Hals und links in den Hals und drittens tief in den Bauch sticht Schmar. Wasserratten, aufgeschlitzt, geben einen "ahnlichen Laut von sich wie Wese.
»Getan«, sagt Schmar und wirft das Messer, den "uberfl"ussigen blutigen Ballast, gegen die n"achste Hausfront. »Seligkeit des Mordes! Erleichterung, Befl"ugelung durch das Fliessen des fremden Blutes! Wese, alter Nachtschatten, Freund, Bierbankgenosse, versickerst im dunklen Strassengrund. Warum bist du nicht einfach eine mit Blut gef"ullte Blase, dass ich mich auf dich setzte und du verschw"andest ganz und gar. Nicht alles wird erf"ullt, nicht alle Bl"utentr"aume reiften, dein schwerer Rest liegt hier, schon unzug"anglich jedem Tritt. Was soll die stumme Frage, die du damit stellst?«
Pallas, alles Gift durcheinander w"urgend in seinem Leib, steht in seiner zweifl"ugelig aufspringenden Haust"ur. »Schmar! Schmar! Alles bemerkt, nichts "ubersehen.« Pallas und Schmar pr"ufen einander. Pallas befriedigt’s, Schmar kommt zu keinem Ende.
Frau Wese mit einer Volksmenge zu ihren beiden Seiten eilt mit vor Schrecken ganz gealtertem Gesicht herbei. Der Pelz "offnet sich, sie st"urzt "uber Wese, der nachthemdbekleidete K"orper geh"ort ihm, der "uber dem Ehepaar sich wie der Rasen eines Grabes schliessende Pelz geh"ort der Menge.
Schmar, mit M"uhe die letzte "Ubelkeit verbeissend, den Mund an die Schulter des Schutzmannes gedr"uckt, der leichtf"ussig ihn davonf"uhrt.
13. EIN TRAUM
Josef K. tr"aumte:
Es war ein sch"oner Tag und K. wollte spazieren gehen. Kaum aber hatte er zwei Schritte gemacht, war er schon auf dem Friedhof. Es waren dort sehr k"unstliche, unpraktisch gewundene Wege, aber er glitt "uber einen solchen Weg wie auf einem reissenden Wasser in unersch"utterlich schwebender Haltung. Schon von der Ferne fasste er einen frisch aufgeworfenen Grabh"ugel ins Auge, bei dem er Halt machen wollte. Dieser Grabh"ugel "ubte fast eine Verlockung auf ihn aus und er glaubte, gar nicht eilig genug hinkommen zu k"onnen. Manchmal aber sah er den Grabh"ugel kaum, er wurde ihm verdeckt durch Fahnen, deren T"ucher sich wanden und mit grosser Kraft aneinanderschlugen; man sah die Fahnentr"ager nicht, aber es war, als herrsche dort viel Jubel.
W"ahrend er den Blick noch in die Ferne gerichtet hatte, sah er pl"otzlich den gleichen Grabh"ugel neben sich am Weg, ja fast schon hinter sich. Er sprang eilig ins Gras. Da der Weg unter seinem abspringenden Fuss weiter raste, schwankte er und fiel gerade vor dem Grabh"ugel ins Knie. Zwei M"anner standen hinter dem Grab und hielten zwischen sich einen Grabstein in der Luft; kaum war K. erschienen, stiessen sie den Stein in die Erde und er stand wie festgemauert. Sofort trat aus einem Geb"usch ein dritter Mann hervor, den K. gleich als einen K"unstler erkannte. Er war nur mit Hosen und einem schlecht zugekn"opften Hemd bekleidet; auf dem Kopf hatte er eine Samtkappe; in der Hand hielt er einen gew"ohnlichen Bleistift, mit dem er schon beim N"aherkommen Figuren in der Luft beschrieb.