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Немецкий язык с Генрихом Бёллем. Хлеб ранних лет

Бёлль Генрих

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1 Ein anderes Mal war sie in dem Flur gewesen, der zu Mullers Zimmer führte: sie hatte in einem Wäschekorb ein Bett für eine Puppe zurechtgemacht; helles Haar fiel über ihren mageren Kindernacken, der mir in der Diele fast grün erschien, und ich hörte sie über die unsichtbare Puppe hin eine Melodie summen, die mir unbekannt war und der sie in bestimmten Abständen ein einziges Wort unterlegte: Suweija — su — su — su — Suweija, und als ich auf dem Wege zu Mullers Zimmer an ihr vorbeiging, hatte sie aufgeblickt, und ich hatte in ihr Gesicht sehen können: sie war blass und mager, und das blonde Haar hing ihr strähnig ins Gesicht. Das musste sie sein, Hedwig, für die ich jetzt ein Zimmer besorgt hatte.

2 Solch ein Zimmer, wie ich es für Mullers Tochter suchen musste, suchen in unserer Stadt vielleicht zwanzigtausend Menschen; solcher Zimmer gibt es aber nur zwei oder gar eins, und es wird von einem jener unerkannten Engel vermietet, die sich hin und wieder unter die Menschen verirren — ich habe ein solches Zimmer, ich habe es gefunden, damals als ich Vater bat, mich aus dem Lehrlingsheim zu nehmen. Mein Zimmer ist groß, mit wenigen alten, aber bequemen Möbeln ausgestattet, und die vier Jahre, die ich darin schon wohne, kommen mir wie eine Unendlichkeit vor: ich habe die Geburten der Kinder meiner Wirtin erlebt, bin Pate des Jüngsten geworden, weil ich es war, der in der Nacht die Hebamme holte. Wochenlang habe ich in der Zeit, in der ich früh aufstand, Robert die Milch gewärmt, ihm die Flasche gegeben, weil meine Wirtin, von nächtlicher Arbeit erschöpft, morgens lange schlief und ich es nicht über mich brachte, sie zu wecken. Ihr Mann ist einer von denen, die der Welt gegenüber als Künstler gelten, als einer von jenen, die an den Umständen scheitern: er klagt stundenlang über seine verlorene Jugend, die ihm angeblich der Krieg gestohlen hat. „Wir wurden betrogen", sagt er, „betrogen um die besten Jahre, die es im Leben eines Menschen gibt, die Jahre zwischen zwanzig und achtundzwanzig", und diese verlorene Jugend dient ihm als Alibi für allerlei Unsinn, den seine Frau ihm nicht nur verzeiht, sondern sogar ermöglicht: er malt, entwirft Häuser, komponiert ... Nichts davon — so scheint mir jedenfalls — macht er richtig, obwohl es ihm hin und wieder Geld einbringt. In den Räumen der Wohnung hängen seine Entwürfe herum: „Haus für einen Schriftsteller auf den Taunushöhen" — „Haus für einen Bildhauer", und auf allen diesen Entwürfen wimmelt es von Bäumen, wie Architekten sie malen, und ich hasse Architektenbäume, weil ich sie seit fünf Jahren täglich sehe. Ich schlucke seine Ratschläge, wie man Arzneien schluckt, die einem ein befreundeter Arzt verschreibt. „In dieser Stadt", sagt er etwa, „in dieser Stadt habe ich, allein hier lebend wie Sie und in Ihrem Alter, Gefahren bestehen müssen, die ich Ihnen nicht gönne", und ich weiß dann, dass er die Hurenviertel meint. Der Mann meiner Wirtin ist ganz liebenswürdig, aber — so scheint mir — ein Trottel, dessen einzige Fähigkeit darin besteht, sich die Liebe seiner Frau zu erhalten, der erreizende Kinder zeugte. Meine Wirtin ist groß und blond, und ich war eine Zeitlang so heftig in sie verliebt, dass ich heimlich ihre Schürze, ihre Handschuhe küsste und vor Eifersucht auf diesen Trottel, ihren Mann, nicht schlafen konnte. Aber sie liebt ihn, und es scheint, dass ein Mann nicht tüchtig, nicht erfolgreich zu sein braucht, um von einer solchen Frau, die ich immer noch bewundere, geliebt zu werden. Oft pumpt er mich um wenige Mark an, um in eines dieser Künstlerlokale zu gehen, wo er sich mit wildem Schlips, ungekämmtem Haar wichtig tut, indem er eine ganze Flasche Schnaps leert, und ich gebe ihm das Geld, weil es mir unmöglich ist, seine Frau zu kränken, indem ich ihn demütige. Und er weiß, warum ich ihm das Geld gebe, denn er ist mit jener Schlauheit ausgestattet, ohne die Faulpelze verhungern würden. Er ist einer jener Faulpelze, die sich den Anschein zu geben verstehen, große Improvisatoren zu sein, aber ich glaube nicht einmal, dass er wirklich zu improvisieren versteht.

1 Mir schien immer (мне

всегда казалось; scheinen-schien-geschienen), als habe ich eines jener Zimmer erwischt (как будто я схватил = мне попалась такая комната), von denen es nur eins gibt (которых = какая имеется только одна), und um so mehr war ich erstaunt (и тем более я был удивлён), für Mullers Tochter ein fast ebenso gutes zu finden (что нашёл: «найти» для дочери Муллера почти такую же хорошую /комнату/) in der Innenstadt in einem Haus, wo ich die Maschinen eines Waschsalons zu überwachen habe (где я должен был следить за машинами стирального салона = прачечной; waschen — стирать): ich prüfe die Gummiteile auf ihre Haltbarkeit (я проверяю резиновые части на их прочность; der Gummi — резина, der Teil — часть, der Halt — стойкость), erneuere Leitungen (обновляю провода), bevor sie durchschleißen (пока они не износились), befestige Schrauben (укрепляю винты; die Schraube; fest — крепкий), bevor sie sich ganz lockern (пока они совсем не ослабли; sich lockern). Ich liebe die Innenstadt, diese Viertel (кварталы; das Viertel), die in den letzten fünfzig Jahren ihre Besitzer und Bewohner gewechselt haben (которые за последние пятьдесят лет сменили своих владельцев и обитателей) wie ein Frack (как фрак), der (который), erst zur Hochzeit angezogen (сперва одели на свадьбу; anziehen, ziehen-zog-gezogen — тянуть), später von einem verarmten Onkel getragen wurde (позднее /его/ носил обедневший дядя; spät — поздний, tragen-trug-getragen), der sich einen Nebenverdienst als Musiker zu verschaffen wusste (который сумел раздобыть себе приработок в качестве музыканта; neben — рядомс, der Verdienst — заработок); der von dessen Erben versetzt (чьими наследниками он /фрак/ был заложен) und nicht ausgelöst (и не выкуплен), im Pfandhaus schließlich bei der Versteigerung von einem Kostümverleiher erworben wurde (наконец, в ломбарде на аукционе был приобретён костюмером; das Pfand — залог; versteigern — продаватьсаукциона; das Kostüm, verleihen — даватьнапрокат; erwerben, werben-warb-geworben — вербовать), der ihn zu mäßigen Preisen an verarmte Patrizier ausleiht (который его /фрак/ по умеренным ценам даёт напрокат обедневшим патрициям), die überraschend zum Empfang irgendeines Ministers eingeladen werden (которых неожиданно пригласили на приём /у/ какого-нибудь министра; einladen, laden-lud-geladen — грузить), dessen Staat sie vergebens im Atlas ihres jüngsten Sohnes suchen (страну которого они тщетно ищут в атласе своего младшего сына).

2 Dort, in dem Haus, in dem jetzt der Waschsalon betrieben wird (в котором

сейчас работает прачечная: «ведется, эксплуатируется»; etwas betreiben — заниматьсячем-либо, вестикакое-либодело), hatte ich für Mullers Tochter ein Zimmer gefunden, das fast genau seinen Bedingungen entsprach (которая почти точно соответствовала его /Муллера/ условиям; entsprechen): es war geräumig (просторная), nicht häßlich möbliert (меблированная не безобразно) und hatte ein großes Fenster, das den Blick in einen der alten Patriziergärten freigab (которое открывало вид на один из старых барских: «патрицианских» садов; freigeben — освобождать, geben-gab-gegeben — давать); mitten in der Stadt (в центре города) war es hier abends nach fünf (было здесь вечерами после пяти) friedlich und still (спокойно и тихо). —

3 Ich mietete das Zimmer zum 1. Februar. Dann bekam ich Scherereien (потом получил я = у меня были хлопоты, неприятности; bekommen), weil Muller mir Ende Januar schrieb (мне в конце января /на/писал; schreiben-schrieb-geschrieben), seine Tochter sei krank geworden (что его дочь заболела; werden-wird-geworden) und könne erst am 15. März kommen (и сможет приехать только...), und ob ich nicht erreichen könne (и не смогу ли я добиться = договориться), dass das Zimmer zwar freigehalten (чтобы комната хотя /и/ содержалась = оставалась бы свободной), die Mietezahlung aber ausgesetzt werde (но взнос квартирной платы был бы приостановлен; die Miete — квартирнаяплата, die Zahlung — платёж, взнос; aussetzen). Ich schrieb ihm einen wütenden Brief (яростное = гневное письмо; wüten — бушевать; die Wut — ярость, бешенство) und erklärte ihm die Wohnverhältnisse in der Stadt (и объяснил ему жилищные условия в городе; wohnen — жить, die Verhältnisse — обстоятельства), und dann war ich beschämt (и потом я был пристыжён; beschämen — посрамлять, die Scham — стыд), wie demütig er mir antwortete (/тем,/ как смиренно он мне ответил; die Demut — смирение, покорность) und sich bereit erklärte (и согласился), die Miete für sechs Wochen zu zahlen (заплатить квартирную плату за шесть недель).

4 Ich hatte kaum noch an das Mädchen gedacht (я вряд ли ещё думал о девушке; denken-dachte-gedacht), mich nur vergewissert (только удостоверился), ob Muller die Miete auch gezahlt hatte (заплатил ли Муллер в самом деле квартирную плату). Er hatte sie geschickt (он её послал), und als ich mich danach erkundigte (и когда я затем справлялся /об этом/; sich erkündigen), hatte die Wirtin mich gefragt (хозяйка спросила меня), was sie mich schon gefragt hatte (/о том,/ о чём она меня уже спрашивала), als ich das Zimmer besichtigte (когда я осматривал комнату). „Ist es Ihre Freundin, ist es bestimmt nicht Ihre Freundin (это точно не Ваша подруга)?"

5 „Mein Gott", sagte ich ärgerlich (сердито), „ich sage Ihnen: ich kenne das Mädchen gar nicht (я совсем не знаю /эту/ девушку)."

6 „Ich dulde nämlich nicht (я ведь не потерплю)", sagte sie, „dass ..."

7 „Ich weiß", sagte ich, „was Sie nicht dulden, aber ich sage Ihnen, ich kenne das Mädchen nicht."

8 „Schön", sagte sie, und ich hasste sie ihres Grinsens wegen (и я возненавидел её из-за её ухмылки), „ich frage ja nur (я же только спрашиваю), weil ich bei Verlobten hin und wieder eine Ausnahme mache (так как для обручённых я иногда делаю исключение; sich verloben — обручиться)."

9 „Mein Gott", sagte ich, „auch noch verlobt (ещё и обручённый). Bitte beruhigen Sie sich (пожалуйста, успокойтесь)." Aber sie schien nicht beruhigt zu sein (но она, казалось, не успокоилась: «казалась не успокоенной быть»).

1 Mir schien immer, als habe ich eines jener Zimmer erwischt, von denen es nur eins gibt, und um so mehr war ich erstaunt, für Mullers Tochter ein fast ebenso gutes zu finden in der Innenstadt in einem Haus, wo ich die Maschinen eines Waschsalons zu überwachen habe: ich prüfe die Gummiteile auf ihre Haltbarkeit, erneuere Leitungen, bevor sie durchschleißen, befestige Schrauben, bevor sie sich ganz lockern. Ich liebe die Innenstadt, diese Viertel, die in den letzten fünfzig Jahren ihre Besitzer und Bewohner gewechselt haben wie ein Frack, der, erst zur Hochzeit angezogen, später von einem verarmten Onkel getragen wurde, der sich einen Nebenverdienst als Musiker zu verschaffen wusste; der von dessen Erben versetzt und nicht ausgelöst, im Pfandhaus schließlich bei der Versteigerung von einemKostümverleiher erworben wurde, der ihn zu mäßigen Preisen an verarmte Patrizier ausleiht, die überraschend zum Empfang irgendeines Ministers eingeladen werden, dessen Staat sie vergebens im Atlas ihres jüngsten Sohnes suchen.

2 Dort, in dem Haus, in dem jetzt der Waschsalon betrieben wird, hatte ich für Mullers Tochter ein Zimmer gefunden, das fast genau seinen Bedingungen entsprach: es war geräumig, nicht häßlich möbliert und hatte ein großes Fenster, das den Blick in einen der alten Patriziergärten freigab; mitten in der Stadt war es hier abends nach fünf friedlich und still. —

3 Ich mietete das Zimmer zum 1. Februar. Dann bekam ich Scherereien, weil Muller mir Ende Januar schrieb, seine Tochter sei krank geworden und könne erst am 15. März kommen, und ob ich nicht erreichen könne, dass das Zimmer zwar freigehalten, die Mietezahlung aber ausgesetzt werde. Ich schrieb ihm einen wütenden Brief und erklärte ihm die Wohnverhältnisse in der Stadt, und dann war ich beschämt, wie demütig er mir antwortete und sich bereit erklärte, die Miete für sechs Wochen zu zahlen.

4 Ich hatte kaum noch an das Mädchen gedacht, mich nur vergewissert, ob Muller die Miete auch gezahlt hatte. Er hatte sie geschickt, und als ich mich danach erkundigte, hatte die Wirtin mich gefragt, was sie mich schon gefragt hatte, als ich das Zimmer besichtigte. „Ist es Ihre Freundin, ist es bestimmt nicht Ihre Freundin?"

5 „Mein Gott", sagte ich ärgerlich, „ich sage Ihnen: ich kenne das Mädchen gar nicht."

6 „Ich dulde nämlich nicht", sagte sie, „dass ..."

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