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Der Reisende sah fl"uchtig auf den Mann hin; er hielt, als der Offizier auf ihn gezeigt hatte, den Kopf gesenkt und schien alle Kraft des Geh"ors anzuspannen, um etwas zu erfahren. Aber die Bewegungen seiner wulstig aneinander gedr"uckten Lippen zeigten offenbar, dass er nichts verstehen konnte. Der Reisende hatte Verschiedenes fragen wollen, fragte aber im Anblick des Mannes nur: "Kennt er sein Urteil" "Nein", sagte der Offizier und wollte gleich in seinen Erkl"arungen fortfahren, aber der Reisende unterbrach ihn: "Er kennt sein eigenes Urteil nicht" "Nein", sagte der Offizier wieder, stockte dann einen Augenblick, als verlange er vom Reisenden eine n"ahere Begr"undung seiner Frage, und sagte dann: "Es w"are nutzlos, es ihm zu verk"unden. Er erf"ahrt es ja auf seinem Leib." Der Reisende wollte schon verstummen, da f"uhlte er, wie der Verurteilte seinen Blick auf ihn richtete; er schien zu fragen, ob er den geschilderten Vorgang billigen k"onne. Darum beugte sich der Reisende, der sich bereits zur"uckgelehnt hatte, wieder vor und fragte noch: "Aber dass er "uberhaupt verurteilt wurde, das weiss er doch?" "Auch nicht", sagte der Offizier und l"achelte den Reisenden an, als erwarte er nun von ihm noch einige sonderbare Er"offnungen. "Nein", sagte der Reisende und strich sich "uber die Stirn hin, "dann weiss also der Mann auch jetzt noch nicht, wie seine Verteidigung aufgenommen wurde?" "Er hat keine Gelegenheit gehabt, sich zu verteidigen", sagte der Offizier und sah abseits, als rede er zu sich selbst und wolle den Reisenden durch Erz"ahlung dieser ihm selbstverst"andlichen Dinge nicht besch"amen. "Er muss doch Gelegenheit gehabt haben, sich zu verteidigen", sagte der Reisende und stand vom Sessel auf.

Der Offizier erkannte, dass er in Gefahr war, in der Erkl"arung des Apparates f"ur lange Zeit aufgehalten zu werden; er ging daher zum Reisenden, hing sich in seinen Arm, zeigte mit der Hand auf den Verurteilten, der sich jetzt, da die Aufmerksamkeit so offenbar auf ihn gerichtet war, stramm aufstellte – auch zog der Soldat die Kette an –, und sagte: "Die Sache verh"alt sich folgendermassen. Ich bin hier in der Strafkolonie zum Richter bestellt. Trotz meiner Jugend. Denn ich stand auch dem fr"uheren Kommandanten in allen Strafsachen zur Seite und kenne auch den Apparat am besten. Der Grundsatz, nach dem ich entscheide, ist: Die Schuld ist immer zweifellos. Andere Gerichte k"onnen diesen Grundsatz nicht befolgen, denn sie sind vielk"opfig und haben auch noch h"ohere Gerichte "uber sich. Das ist hier nicht der Fall, oder war es wenigstens nicht beim fr"uheren Kommandanten. Der neue hat allerdings schon Lust gezeigt, in mein Gericht sich einzumischen, es ist mir aber bisher gelungen, ihn abzuwehren, und wird mir auch weiter gelingen. – Sie wollten diesen Fall erkl"art haben; er ist so einfach, wie alle. Ein Hauptmann hat heute morgens die Anzeige erstattet, dass dieser Mann, der ihm als Diener zugeteilt ist und vor seiner T"ure schl"aft, den Dienst verschlafen hat. Er hat n"amlich die Pflicht, bei jedem Stundenschlag aufzustehen und vor der T"ur des Hauptmanns zu salutieren. Gewiss keine schwere Pflicht und eine notwendige, denn er soll sowohl zur Bewachung als auch zur Bedienung frisch bleiben. Der Hauptmann wollte in der gestrigen Nacht nachsehen, ob der Diener seine Pflicht erf"ulle. Er "offnete Schlag zwei Uhr die T"ur und fand ihn zusammengekr"ummt schlafen. Er holte die Reitpeitsche und schlug ihm "uber das Gesicht. Statt nun aufzustehen und um Verzeihung zu bitten, fasste der Mann seinen Herrn bei den Beinen, sch"uttelte ihn und rief: >Wirf die Peitsche weg, oder ich fresse dich.< – Das ist der Sachverhalt. Der Hauptmann kam vor einer Stunde zu mir, ich schrieb seine Angaben auf und anschliessend gleich das Urteil. Dann liess ich dem Mann die Ketten anlegen. Das alles war sehr einfach. H"atte ich den Mann zuerst vorgerufen und ausgefragt, so w"are nur Verwirrung entstanden. Er h"atte gelogen, h"atte, wenn es mir gelungen w"are, die L"ugen zu widerlegen, diese durch neue L"ugen ersetzt und so fort. Jetzt aber halte ich ihn und lasse ihn nicht mehr. – Ist nun alles erkl"art? Aber die Zeit vergeht, die Exekution sollte schon beginnen, und ich bin mit der Erkl"arung des Apparates noch nicht fertig. " Er n"otigte den Reisenden auf den Sessel nieder, trat wieder zu dem Apparat und begann: "Wie Sie sehen, entspricht die Egge der Form des Menschen; hier ist die Egge f"ur den Oberk"orper, hier sind die Eggen f"ur die Beine. F"ur den Kopf ist nur dieser kleine Stichel bestimmt. Ist Ihnen das klar?" Er beugte sich freundlich zu dem Reisenden vor, bereit zu den umfassendsten Erkl"arungen.

Der Reisende sah mit gerunzelter Stirn die Egge an. Die Mitteilungen "uber das Gerichtsverfahren hatten ihn nicht befriedigt. Immerhin musste er sich sagen, dass es sich hier um eine Strafkolonie handelte, dass hier besondere Massregeln notwendig waren und dass man bis zum letzten milit"arisch vorgehen musste. Ausserdem aber setzte er einige Hoffnung auf den neuen Kommandanten, der offenbar, allerdings langsam, ein neues Verfahren einzuf"uhren beabsichtigte, das dem beschr"ankten Kopf dieses Offiziers nicht eingehen konnte. Aus diesem Gedankengang heraus fragte der Reisende: "Wird der Kommandant der Exekution beiwohnen?" "Es ist nicht gewiss", sagte der Offizier, durch die unvermittelte Frage peinlich ber"uhrt, und seine freundliche Miene verzerrte sich: "Gerade deshalb m"ussen wir uns beeilen. Ich werde sogar, so leid es mir tut, meine Erkl"arungen abk"urzen m"ussen. Aber ich k"onnte ja morgen, wenn der Apparat wieder gereinigt ist – dass er so sehr beschmutzt wird, ist sein einziger Fehler – die n"aheren Erkl"arungen nachtragen. Jetzt also nur das Notwendigste. – Wenn der Mann auf dem Bett liegt und dieses ins Zittern gebracht ist, wird die Egge auf den K"orper gesenkt. Sie stellt sich von selbst so ein, dass sie nur knapp mit den Spitzen den K"orper ber"uhrt; ist die Einstellung vollzogen, strafft sich sofort dieses Stahlseil zu einer Stange. Und nun beginnt das Spiel. Ein Nichteingeweihter merkt "ausserlich keinen Unterschied in den Strafen. Die Egge scheint gleichf"ormig zu arbeiten. Zitternd sticht sie ihre Spitzen in den K"orper ein, der "uberdies vom Bett aus zittert. Um es nun jedem zu erm"oglichen, die Ausf"uhrung des Urteils zu "uberpr"ufen, wurde die Egge aus Glas gemacht. Es hat einige technische Schwierigkeiten verursacht, die Nadeln darin zu befestigen, es ist aber nach vielen Versuchen gelungen. Wir haben eben keine M"uhe gescheut. Und nun kann jeder durch das Glas sehen, wie sich die Inschrift im K"orper vollzieht. Wollen Sie nicht n"aher kommen und sich die Nadeln ansehen? "

Der Reisende erhob sich langsam, ging hin und beugte sich "uber die Egge. "Sie sehen", sagte der Offizier, "zweierlei Nadeln in vielfacher Anordnung. Jede lange hat eine kurze neben sich. Die lange schreibt n"amlich, und die kurze spritzt Wasser aus, um das Blut abzuwaschen und die Schrift immer klar zu erhalten. Das Blutwasser wird dann hier in kleine Rinnen geleitet und fliesst endlich in diese Hauptrinne, deren Abflussrohr in die Grube f"uhrt. " Der Offizier zeigte mit dem Finger genau den Weg, den das Blutwasser nehmen musste. Als er es, um es m"oglichst anschaulich zu machen, an der M"undung des Abflussrohres mit beiden H"anden f"ormlich auffing, erhob der Reisende den Kopf und wollte, mit der Hand r"uckw"arts tastend, zu seinem Sessel zur"uckgehen. Da sah er zu seinem Schrecken, dass auch der Verurteilte gleich ihm der Einladung des Offiziers, sich die Einrichtung der Egge aus der N"ahe anzusehen, gefolgt war. Er hatte den verschlafenen Soldaten an der Kette ein wenig vorgezerrt und sich auch "uber das Glas gebeugt. Man sah, wie er mit unsicheren Augen auch das suchte, was die zwei Herren eben beobachtet hatten, wie es ihm aber, da ihm die Erkl"arung fehlte, nicht gelingen wollte. Er beugte sich hierhin und dorthin. Immer wieder lief er mit den Augen das Glas ab. Der Reisende wollte ihn zur"ucktreiben, denn, was er tat, war wahrscheinlich strafbar. Aber der Offizier hielt den Reisenden mit einer Hand fest, nahm mit der anderen eine Erdscholle vom Wall und warf sie nach dem Soldaten. Dieser hob mit einem Ruck die Augen, sah, was der Verurteilte gewagt hatte, liess das Gewehr fallen, stemmte die F"usse mit den Abs"atzen in den Boden, riss den Verurteilten zur"uck, dass er gleich niederfiel, und sah dann auf ihn hinunter, wie er sich wand und mit seinen Ketten klirrte. "Stell ihn auf! " schrie der Offizier, denn er merkte, dass der Reisende durch den Verurteilten allzusehr abgelenkt wurde. Der Reisende beugte sich sogar "uber die Egge hinweg, ohne sich um sie zu k"ummern, und wollte nur feststellen, was mit dem Verurteilten geschehe. "Behandle ihn sorgf"altig! " schrie der Offizier wieder. Er umlief den Apparat, fasste selbst den Verurteilten unter den Achseln und stellte ihn, der "ofters mit den F"ussen ausglitt, mit Hilfe des Soldaten auf.

"Nun weiss ich schon alles", sagte der Reisende, als der Offizier wieder zu ihm zur"uckkehrte. "Bis auf das Wichtigste", sagte dieser, ergriff den Reisenden am Arm und zeigte in die H"ohe: "Dort im Zeichner ist das R"aderwerk, welches die Bewegung der Egge bestimmt, und dieses R"aderwerk wird nach der Zeichnung, auf welche das Urteil lautet, angeordnet. Ich verwende noch die Zeichnungen des fr"uheren Kommandanten. Hier sind sie," – er zog einige Bl"atter aus der Ledermappe – "ich kann sie Ihnen aber leider nicht in die Hand geben, sie sind das Teuerste, was ich habe. Setzen Sie sich, ich zeige sie Ihnen aus dieser Entfernung, dann werden Sie alles gut sehen k"onnen." Er zeigte das erste Blatt. Der Reisende h"atte gerne etwas Anerkennendes gesagt, aber er sah nur labyrinthartige, einander vielfach kreuzende Linien, die so dicht das Papier bedeckten, dass man nur mit M"uhe die weissen Zwischenr"aume erkannte. "Lesen Sie", sagte der Offizier. "Ich kann nicht", sagte der Reisende. "Es ist doch deutlich", sagte der Offizier. "Es ist sehr kunstvoll", sagte der Reisende ausweichend, "aber ich kann es nicht entziffern. " "Ja", sagte der Offizier, lachte und steckte die Mappe wieder ein, "es ist keine' Sch"onschrift f"ur Schulkinder. Man muss lange darin lesen. Auch Sie w"urden es schliesslich gewiss erkennen. Es darf nat"urlich keine einfache Schrift sein; sie soll ja nicht sofort t"oten, sondern durchschnittlich erst in 'einem Zeitraum von zw"olf Stunden; f"ur die sechste Stunde ist der Wendepunkt berechnet. Es m"ussen also viele, viele Zieraten die eigentliche Schrift umgeben; die wirkliche Schrift umzieht den Leib nur in einem schmalen G"urtel; der "ubrige K"orper ist f"ur Verzierungen bestimmt. K"onnen Sie jetzt die Arbeit der Egge und des ganzen Apparates w"urdigen? – Sehen Sie doch! " Er sprang auf die Leiter, drehte ein Rad, rief hinunter: "Achtung, treten Sie zur Seite", und alles kam in Gang. H"atte das Rad nicht gekreischt, es w"are herrlich gewesen. Als sei der Offizier von diesem st"orenden Rad "uberrascht, drohte er ihm mit der Faust, breitete dann, sich entschuldigend, zum Reisenden hin die Arme aus und kletterte eilig hinunter, um den Gang des Apparates von unten zu beobachten. Noch war etwas nicht in Ordnung, das nur er merkte; er kletterte wieder hinauf, griff mit beiden H"anden in das Innere des Zeichners; glitt dann, um rascher hinunterzukommen, statt die Leiter zu benutzen, an der einen Stange hinunter und schrie nun, um sich im L"arm verst"andlich zu machen, mit "ausserster Anspannung dem Reisenden ins Ohr: "Begreifen Sie den Vorgang? Die Egge f"angt zu schreiben an; ist sie mit der ersten Anlage der Schrift auf dem R"ucken des Mannes fertig, rollt die Watteschicht und w"alzt den K"orper langsam auf die Seite, um der Egge neuen Raum zu bieten. Inzwischen legen sich die wundbeschriebenen Stellen auf die Watte, welche infolge der besonderen Pr"aparierung sofort die Blutung stillt und zu neuer Vertiefung der Schrift vorbereitet. Hier die Zacken am Rande der Egge reissen dann beim weiteren Umw"alzen des K"orpers die Watte von den Wunden, schleudern sie in die Grube, und die Egge hat wieder Arbeit. So schreibt sie immer tiefer die zw"olf Stunden lang. Die ersten sechs Stunden lebt der Verurteilte fast wie fr"uher, er leidet nur Schmerzen. Nach zwei Stunden wird der Filz entfernt, denn der Mann hat keine Kraft zum Schreien mehr. Hier in diesen elektrisch geheizten Napf am Kopfende wird warmer Reisbrei gelegt, aus dem der Mann, wenn er Lust hat, nehmen kann, was er mit der Zunge erhascht. Keiner vers"aumt die Gelegenheit. Ich weiss keinen, und meine Erfahrung ist gross. Erst um die sechste Stunde verliert er das Vergn"ugen am Essen. Ich knie dann gew"ohnlich hier nieder und beobachte diese Erscheinung. Der Mann schluckt den letzten Bissen selten, er dreht ihn nur im Mund und speit ihn in die Grube. Ich muss mich dann b"ucken, sonst f"ahrt es mir ins Gesicht. Wie still wird dann aber der Mann um die sechste Stunde! Verstand geht dem Bl"odesten auf. Um die Augen beginnt es. Von hier aus verbreitet es sich. Ein Anblick, der einen verf"uhren k"onnte, sich mit unter die Egge zu legen. Es geschieht ja nichts weiter, der Mann f"angt bloss an, die Schrift zu entziffern, er spitzt den Mund, als horche er. Sie haben gesehen, es ist nicht leicht, die Schrift mit den Augen zu entziffern; unser Mann entziffert sie aber mit seinen Wunden. Es ist allerdings viel Arbeit; er braucht sechs Stunden zu ihrer Vollendung. Dann aber spiesst ihn die Egge vollst"andig auf und wirft ihn in die Grube, wo er auf das Blutwasser und die Watte niederklatscht. Dann ist das Gericht zu Ende, und wir, ich und der Soldat, scharren ihn ein. "

Der Reisende hatte das Ohr zum Offizier geneigt und sah, die H"ande in den Rocktaschen, der Arbeit der Maschine zu. Auch der Verurteilte sah ihr zu, aber ohne Verst"andnis. Er b"uckte sich ein wenig und verfolgte die schwankenden Nadeln, als ihm der Soldat, auf ein Zeichen des Offiziers, mit einem Messer hinten Hemd und Hose durchschnitt, so dass sie von dem Verurteilten abfielen; er wollte nach dem fallenden Zeug greifen, um seine Bl"osse zu bedecken, aber der Soldat hob ihn in die H"ohe und sch"uttelte die letzten Fetzen von ihm ab. Der Offizier stellte die Maschine ein, und in der jetzt eintretenden Stille wurde der Verurteilte unter die Egge gelegt. Die Ketten wurden gel"ost, und statt dessen die Riemen befestigt; es schien f"ur den Verurteilten im ersten Augenblick fast eine Erleichterung zu bedeuten. Und nun senkte sich die Egge noch ein St"uck tiefer, denn es war ein magerer Mann. Als ihn die Spitzen ber"uhrten, ging ein Schauer "uber seine Haut; er streckte, w"ahrend der Soldat mit seiner rechten Hand besch"aftigt war, die linke aus, ohne zu wissen wohin; es war aber die Richtung, wo der Reisende stand. Der Offizier sah ununterbrochen den Reisenden von der Seite an, als suche er von seinem Gesicht den Eindruck abzulesen, den die Exekution, die er ihm nun wenigstens oberfl"achlich erkl"art hatte, auf ihn mache.

Der Riemen, der f"ur das Handgelenk bestimmt war, riss; wahrscheinlich hatte ihn der Soldat zu stark angezogen. Der Offizier sollte helfen, der Soldat zeigte ihm das abgerissene Riemenst"uck. Der Offizier ging auch zu ihm hin"uber und sagte, das Gesicht dem Reisenden zugewendet: "Die Maschine ist sehr zusammengesetzt, es muss hie und da etwas reissen oder brechen; dadurch darf man sich aber im Gesamturteil nicht beirren lassen. F"ur den Riemen ist "ubrigens sofort Ersatz geschafft; ich werde eine Kette verwenden; die Zartheit der Schwingung wird dadurch f"ur den rechten Arm allerdings beeintr"achtigt. " Und w"ahrend er die Ketten anlegte, sagte er noch: "Die Mittel zur Erhaltung der Maschine sind jetzt sehr eingeschr"ankt. Unter dem fr"uheren Kommandanten war eine mir frei zug"angliche Kassa nur f"ur diesen Zweck bestimmt. Es gab hier ein Magazin, in dem alle m"oglichen Ersatzst"ucke aufbewahrt wurden. Ich gestehe, ich trieb damit fast Verschwendung, ich meine fr"uher, nicht jetzt, wie der neue Kommandant behauptet, dem alles nur zum Vorwand dient, alte Einrichtungen zu bek"ampfen. Jetzt hat er die Maschinenkassa in eigener Verwaltung, und schicke ich um einen neuen Riemen, wird der zerrissene als Beweisst"uck verlangt, der neue kommt erst in zehn Tagen, ist dann aber von schlechterer Sorte und taugt nicht viel. Wie ich aber in der Zwischenzeit ohne Riemen die Maschine betreiben soll, darum k"ummert sich niemand. "

Der Reisende "uberlegte: Es ist immer bedenklich, in fremde Verh"altnisse entscheidend einzugreifen. Er war weder B"urger der Strafkolonie, noch B"urger des Staates, dem sie angeh"orte. Wenn er diese Exekution verurteilen oder gar hintertreiben wollte, konnte man ihm sagen: Du bist ein Fremder, sei still. Darauf h"atte er nichts erwidern, sondern nur hinzuf"ugen k"onnen, dass er sich in diesem Falle selbst nicht begreife, denn er reise nur mit der Absicht zu sehen und keineswegs etwa, um fremde Gerichtsverfassungen zu "andern. Nun lagen aber hier die Dinge allerdings sehr verf"uhrerisch. Die Ungerechtigkeit des Verfahrens und die Unmenschlichkeit der Exekution war zweifellos. Niemand konnte irgendeine Eigenn"utzigkeit des Reisenden annehmen, denn der Verurteilte war ihm fremd, kein Landsmann und ein zum Mitleid gar nicht auffordernder Mensch. Der Reisende selbst hatte Empfehlungen hoher "Amter, war hier mit grosser H"oflichkeit empfangen worden, und dass er zu dieser Exekution eingeladen worden war, schien sogar darauf hinzudeuten, dass man sein Urteil "uber dieses Gericht verlangte. Dies war aber um so wahrscheinlicher, als der Kommandant, wie er jetzt "uberdeutlich geh"ort hatte, kein Anh"anger dieses Verfahrens war und sich gegen"uber dem Offizier fast feindselig verhielt.

Da h"orte der Reisende einen Wutschrei des Offiziers. Er hatte gerade, nicht ohne M"uhe, dem Verurteilten den Filzstumpf in den Mund geschoben, als der Verurteilte in einem unwiderstehlichen Brechreiz die Augen schloss und sich erbrach. Eilig riss ihn der Offizier vom Stumpf in die H"ohe und wollte den Kopf zur Grube hindrehen; aber es war zu sp"at, der Unrat floss schon an der Maschine hinab. "Alles Schuld des Kommandanten! " schrie der Offizier und r"uttelte besinnungslos vorn an den Messingstangen, "die Maschine wird mir verunreinigt wie ein Stall." Er zeigte mit zitternden H"anden dem Reisenden, was geschehen war. "Habe ich nicht stundenlang dem Kommandanten begreiflich zu machen gesucht, dass einen Tag vor der Exekution kein Essen mehr verabfolgt werden soll. Aber die neue milde Richtung ist anderer Meinung. Die Damen des Kommandanten stopfen dem Mann, ehe er abgef"uhrt wird, den Hals mit Zuckersachen voll. Sein ganzes Leben hat er sich von stinkenden Fischen gen"ahrt und muss jetzt Zuckersachen essen! Aber es w"are ja m"oglich, ich w"urde nichts einwenden, aber warum schafft man nicht einen neuen Filz an, wie ich ihn seit einem Vierteljahr erbitte. Wie kann man ohne Ekel diesen Filz in den Mund nehmen, an dem mehr als hundert M"anner im Sterben gesaugt und gebissen haben?"

Der Verurteilte hatte den Kopf niedergelegt und sah friedlich aus, der Soldat war damit besch"aftigt, mit dem Hemd des Verurteilten die Maschine zu putzen. Der Offizier ging zum Reisenden, der in irgendeiner Ahnung einen Schritt zur"ucktrat, aber der Offizier fasste ihn bei der Hand und zog ihn zur Seite. "Ich will einige Worte im Vertrauen mit Ihnen sprechen", sagte er, "ich darf das doch?" "Gewiss", sagte der Reisende und h"orte mit gesenkten Augen zu.

"Dieses Verfahren und diese Hinrichtung, die Sie jetzt zu bewundern Gelegenheit haben, hat gegenw"artig in unserer Kolonie keinen offenen Anh"anger mehr. Ich bin ihr einziger Vertreter, gleichzeitig der einzige Vertreter des Erbes des alten Kommandanten. An einen weiteren Ausbau des Verfahrens kann ich nicht mehr denken, ich verbrauche alle meine Kr"afte, um zu erhalten, was vorhanden ist. Als der alte Kommandant lebte, war die Kolonie von seinen Anh"angern voll; die "Uberzeugungskraft des alten Kommandanten habe ich zum Teil, aber seine Macht fehlt mir ganz; infolgedessen haben sich die Anh"anger verkrochen, es gibt noch viele, aber keiner gesteht es ein. Wenn Sie heute, also an einem Hinrichtungstag, ins Teehaus gehen und herumhorchen, werden Sie vielleicht nur zweideutige "Ausserungen h"oren. Das sind lauter Anh"anger, aber unter dem gegenw"artigen Kommandanten und bei seinen gegenw"artigen Anschauungen f"ur mich ganz unbrauchbar. Und nun frage ich Sie: Soll wegen dieses Kommandanten und seiner Frauen, die ihn beeinflussen, ein solches Lebenswerk" – er zeigte auf die Maschine – "zugrunde gehen? Darf man das zulassen? Selbst wenn man nur als Fremder ein paar Tage auf unserer Insel ist? Es ist aber keine Zeit zu verlieren, man bereitet etwas gegen meine Gerichtsbarkeit vor; es finden schon Beratungen in der Kommandatur statt, zu denen ich nicht zugezogen werde; sogar Ihr heutiger Besuch scheint mir f"ur die ganze Lage bezeichnend; man ist feig und schickt Sie, einen Fremden, vor. – Wie war die Exekution anders in fr"uherer Zeit! Schon einen Tag vor der Hinrichtung war das ganze Tal von Menschen "uberf"ullt; alle kamen nur um zu sehen; fr"uh am Morgen erschien der Kommandant mit seinen Damen; Fanfaren weckten den ganzen Lagerplatz; ich erstattete die Meldung, dass alles vorbereitet sei; die Gesellschaft – kein hoher Beamte durfte fehlen – ordnete sich um die Maschine; dieser Haufen Rohrsessel ist ein armseliges "Uberbleibsel aus jener Zeit. Die Maschine gl"anzte frisch geputzt, fast zu jeder Exekution nahm ich neue Ersatzst"ucke. Vor hunderten Augen – alle Zuschauer standen auf den Fussspitzen bis dort zu den Anh"ohen – wurde der Verurteilte vom Kommandanten selbst unter die Egge gelegt. Was heute ein gemeiner Soldat tun darf, war damals meine, des Gerichtspr"asidenten, Arbeit und ehrte mich. Und nun begann die Exekution! Kein Misston st"orte die Arbeit der Maschine. Manche sahen nun gar nicht mehr zu, sondern lagen mit geschlossenen Augen im Sand; alle wussten: Jetzt geschieht Gerechtigkeit. In der Stille h"orte man nur das Seufzen des Verurteilten, ged"ampft durch den Filz. Heute gelingt es der Maschine nicht mehr, dem Verurteilten ein st"arkeres Seufzen auszupressen, als der Filz noch ersticken kann; damals aber tropften die schreibenden Nadeln eine beizende Fl"ussigkeit aus, die heute nicht mehr verwendet werden darf. Nun, und dann kam die sechste Stunde! Es war unm"oglich, allen die Bitte, aus der N"ahe zuschauen zu d"urfen, zu gew"ahren. Der Kommandant in seiner Einsicht ordnete an, dass vor allem die Kinder ber"ucksichtigt werden sollten; ich allerdings durfte kraft meines Berufes immer dabeistehen; oft hockte ich dort, zwei kleine Kinder rechts und links in meinen Armen. Wie nahmen wir alle den Ausdruck der Verkl"arung von dem gemarterten Gesicht, wie hielten wir unsere Wangen in den Schein dieser endlich erreichten und schon vergehenden Gerechtigkeit! Was f"ur Zeiten, mein Kamerad! " Der Offizier hatte offenbar vergessen, wer vor ihm stand; er hatte den Reisenden umarmt und den Kopf auf seine Schulter gelegt. Der Reisende war in grosser Verlegenheit, ungeduldig sah er "uber den Offizier hinweg. Der Soldat hatte die Reinigungsarbeit beendet und jetzt noch aus einer B"uchse Reisbrei in den Napf gesch"uttet. Kaum merkte dies der Verurteilte, der sich schon vollst"andig erholt zu haben schien, als er mit der Zunge nach dem Brei zu schnappen begann. Der Soldat stiess ihn immer wieder weg, denn der Brei war wohl f"ur eine sp"atere Zeit bestimmt, aber ungeh"orig war es jedenfalls auch, dass der Soldat mit seinen schmutzigen H"anden hineingriff und vor dem gierigen Verurteilten davon ass.

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