1915 Кары (сборник)
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In den ersten vierzehn Tagen konnten es die Eltern nicht "uber sich bringen, zu ihm hereinzukommen, und er h"orte oft, wie sie die jetzige Arbeit der Schwester v"ollig anerkannten, w"ahrend sie sich bisher h"aufig "uber die Schwester ge"argert hatten, weil sie ihnen als ein etwas nutzloses M"adchen erschienen war. Nun aber warteten oft beide, der Vater und die Mutter, vor Gregors Zimmer, w"ahrend die Schwester dort aufr"aumte, und kaum war sie herausgekommen, musste sie ganz genau erz"ahlen, wie es in dem Zimmer aussah, was Gregor gegessen hatte, wie er sich diesmal benommen hatte, und ob vielleicht eine kleine Besserung zu bemerken war. Die Mutter "ubrigens wollte verh"altnism"assig bald Gregor besuchen, aber der Vater und die Schwester hielten sie zuerst mit Vernunftgr"unden zur"uck, denen Gregor sehr aufmerksam zuh"orte, und die er vollst"andig billigte. Sp"ater aber musste man sie mit Gewalt zur"uckhalten, und wenn sie dann rief: "Lasst mich doch zu Gregor, er ist ja mein ungl"ucklicher Sohn! Begreift ihr es denn nicht, dass ich zu ihm muss?", dann dachte Gregor, dass es vielleicht doch gut w"are, wenn die Mutter hereink"ame, nicht jeden Tag nat"urlich, aber vielleicht einmal in der Woche; sie verstand doch alles viel besser als die Schwester, die trotz all ihrem Mute doch nur ein Kind war und im letzten Grunde vielleicht nur aus kindlichem Leichtsinn eine so schwere Aufgabe "ubernommen hatte.
Der Wunsch Gregors, die Mutter zu sehen, ging bald in Erf"ullung. W"ahrend des Tages wollte Gregor schon aus R"ucksicht auf seine Eltern sich nicht beim Fenster zeigen, kriechen konnte er aber auf den paar Quadratmetern des Fussbodens auch nicht viel, das ruhige Liegen ertrug er schon w"ahrend der Nacht schwer, das Essen machte ihm bald nicht mehr das geringste Vergn"ugen, und so nahm er zur Zerstreuung die Gewohnheit an, kreuz und quer "uber W"ande und Plafond zu kriechen. Besonders oben auf der Decke hing er gern; es war ganz anders, als das Liegen auf dem Fussboden; man atmete freier; ein leichtes Schwingen ging durch den K"orper; und in der fast gl"ucklichen Zerstreutheit, in der sich Gregor dort oben befand, konnte es geschehen, dass er zu seiner eigenen "Uberraschung sich losliess und auf den Boden klatschte. Aber nun hatte er nat"urlich seinen K"orper ganz anders in der Gewalt als fr"uher und besch"adigte sich selbst bei einem so grossen Falle nicht. Die Schwester nun bemerkte sofort die neue Unterhaltung, die Gregor f"ur sich gefunden hatte – er hinterliess ja auch beim Kriechen hie und da Spuren seines Klebstoffes –, und da setzte sie es sich in den Kopf, Gregor das Kriechen in gr"osstem Ausmasse zu erm"oglichen und die M"obel, die es verhinderten, also vor allem den Kasten und den Schreibtisch, wegzuschaffen. Nun war sie aber nicht imstande, dies allein zu tun; den Vater wagte sie nicht um Hilfe zu bitten; das Dienstm"adchen h"atte ihr ganz gewiss nicht geholfen, denn dieses etwa sechzehnj"ahrige M"adchen harrte zwar tapfer seit Entlassung der fr"uheren K"ochin aus, hatte aber um die Verg"unstigung gebeten, die K"uche unaufh"orlich versperrt halten zu d"urfen und nur auf besonderen Anruf "offnen zu m"ussen; so blieb der Schwester also nichts "ubrig, als einmal in Abwesenheit des Vaters die Mutter zu holen. Mit Ausrufen erregter Freude kam die Mutter auch heran, verstummte aber an der T"ur vor Gregors Zimmer. Zuerst sah nat"urlich die Schwester nach, ob alles im Zimmer in Ordnung war; dann erst liess sie die Mutter eintreten. Gregor hatte in gr"osster Eile das Leintuch noch tiefer und mehr in Falten gezogen, das Ganze sah wirklich nur wie ein zuf"allig "uber das Kanapee geworfenes Leintuch aus. Gregor unterliess auch diesmal, unter dem Leintuch zu spionieren; er verzichtete darauf, die Mutter schon diesmal zu sehen, und war nur froh, dass sie nun doch gekommen war. "Komm nur, man sieht ihn nicht", sagte die Schwester, und offenbar f"uhrte sie die Mutter an der Hand. Gregor h"orte nun, wie die zwei schwachen Frauen den immerhin schweren alten Kasten von seinem Platze r"uckten, und wie die Schwester immerfort den gr"ossten Teil der Arbeit f"ur sich beanspruchte, ohne auf die Warnungen der Mutter zu h"oren, welche f"urchtete, dass sie sich "uberanstrengen werde. Es dauerte sehr lange. Wohl nach schon viertelst"undiger Arbeit sagte die Mutter, man solle den Kasten doch lieber hier lassen, denn erstens sei er zu schwer, sie w"urden vor Ankunft des Vaters nicht fertig werden und mit dem Kasten in der Mitte des Zimmers Gregor jeden Weg verrammeln, zweitens aber sei es doch gar nicht sicher, dass Gregor mit der Entfernung der M"obel ein Gefallen geschehe. Ihr scheine das Gegenteil der Fall zu sein; ihr bedr"ucke der Anblick der leeren Wand geradezu das Herz; und warum solle nicht auch Gregor diese Empfindung haben, da er doch an die Zimmerm"obel l"angst gew"ohnt sei und sich deshalb im leeren Zimmer verlassen f"uhlen werde. "Und ist es dann nicht so", schloss die Mutter ganz leise, wie sie "uberhaupt fast fl"usterte, als wolle sie vermeiden, dass Gregor, dessen genauen Aufenthalt sie ja nicht kannte, auch nur den Klang der Stimme h"ore, denn dass er die Worte nicht verstand, davon war sie "uberzeugt, "und ist es nicht so, als ob wir durch die Entfernung der M"obel zeigten, dass wir jede Hoffnung auf Besserung aufgeben und ihn r"ucksichtslos sich selbst "uberlassen? Ich glaube, es w"are das beste, wir suchen das Zimmer genau in dem Zustand zu erhalten, in dem es fr"uher war, damit Gregor, wenn er wieder zu uns zur"uckkommt, alles unver"andert findet und umso leichter die Zwischenzeit vergessen kann. "
Beim Anh"oren dieser Worte der Mutter erkannte Gregor, dass der Mangel jeder unmittelbaren menschlichen Ansprache, verbunden mit dem einf"ormigen Leben inmitten der Familie, im Laufe dieser zwei Monate seinen Verstand hatte verwirren m"ussen, denn anders konnte er es sich nicht erkl"aren, dass er ernsthaft darnach hatte verlangen k"onnen, dass sein Zimmer ausgeleert w"urde. Hatte er wirklich Lust, das warme, mit ererbten M"obeln gem"utlich ausgestattete Zimmer in eine H"ohle verwandeln zu lassen, in der er dann freilich nach allen Richtungen ungest"ort w"urde kriechen k"onnen, jedoch auch unter gleichzeitigem, schnellen, g"anzlichen Vergessen seiner menschlichen Vergangenheit? War er doch jetzt schon nahe daran, zu vergessen, und nur die seit langem nicht geh"orte Stimme der Mutter hatte ihn aufger"uttelt. Nichts sollte entfernt werden; alles musste bleiben; die guten Einwirkungen der M"obel auf seinen Zustand konnte er nicht entbehren; und wenn die M"obel ihn hinderten, das sinnlose Herumkriechen zu betreiben, so war es kein Schaden, sondern ein grosser Vorteil.
Aber die Schwester war leider anderer Meinung; sie hatte sich, allerdings nicht ganz unberechtigt, angew"ohnt, bei Besprechung der Angelegenheiten Gregors als besonders Sachverst"andige gegen"uber den Eltern aufzutreten, und so war auch jetzt der Rat der Mutter f"ur die Schwester Grund genug, auf der Entfernung nicht nur des Kastens und des Schreibtisches, an die sie zuerst allein gedacht hatte, sondern auf der Entfernung s"amtlicher M"obel, mit Ausnahme des unentbehrlichen Kanapees, zu bestehen. Es war nat"urlich nicht nur kindlicher Trotz und das in der letzten Zeit so unerwartet und schwer erworbene Selbstvertrauen, das sie zu dieser Forderung bestimmte; sie hatte doch auch tats"achlich beobachtet, dass Gregor viel Raum zum Kriechen brauchte, dagegen die M"obel, soweit man sehen konnte, nicht im geringsten ben"utzte. Vielleicht aber spielte auch der schw"armerische Sinn der M"adchen ihres Alters mit, der bei jeder Gelegenheit seine Befriedigung sucht, und durch den Grete jetzt sich dazu verlocken liess, die Lage Gregors noch schreckenerregender machen zu wollen, um dann noch mehr als bis jetzt f"ur ihn leisten zu k"onnen. Denn in einen Raum, in dem Gregor ganz allein die leeren W"ande beherrschte, w"urde wohl kein Mensch ausser Grete jemals einzutreten sich getrauen.
Und so liess sie sich von ihrem Entschlusse durch die Mutter nicht abbringen, die auch in diesem Zimmer vor lauter Unruhe unsicher schien, bald verstummte und der Schwester nach Kr"aften beim Hinausschaffen des Kastens half. Nun, den Kasten konnte Gregor im Notfall noch entbehren, aber schon der Schreibtisch musste bleiben. Und kaum hatten die Frauen mit dem Kasten, an den sie sich "achzend dr"uckten, das Zimmer verlassen, als Gregor den Kopf unter dem Kanapee hervorstiess, um zu sehen, wie er vorsichtig und m"oglichst r"ucksichtsvoll eingreifen k"onnte. Aber zum Ungl"uck war es gerade die Mutter, welche zuerst zur"uckkehrte, w"ahrend Grete im Nebenzimmer den Kasten umfangen hielt und ihn allein hin und her schwang, ohne ihn nat"urlich von der Stelle zu bringen. Die Mutter aber war Gregors Anblick nicht gew"ohnt, er h"atte sie krank machen k"onnen, und so eilte Gregor erschrocken im R"uckw"artslauf bis an das andere Ende des Kanapees, konnte es aber nicht mehr verhindern, dass das Leintuch vorne ein wenig sich bewegte. Das gen"ugte, um die Mutter aufmerksam zu machen. Sie stockte, stand einen Augenblick still und ging dann zu Grete zur"uck.
Trotzdem sich Gregor immer wieder sagte, dass ja nichts Aussergew"ohnliches geschehe, sondern nur ein paar M"obel umgestellt w"urden, wirkte doch, wie er sich bald eingestehen musste, dieses Hin- und Hergehen der Frauen, ihre kleinen Zurufe, das Kratzen der M"obel auf dem Boden, wie ein grosser, von allen Seiten gen"ahrter Trubel auf ihn, und er musste sich, so fest er Kopf und Beine an sich zog und den Leib bis an den Boden dr"uckte, unweigerlich sagen, dass er das Ganze nicht lange aushalten werde. Sie r"aumten ihm sein Zimmer aus; nahmen ihm alles, was ihm lieb war; den Kasten, in dem die Laubs"age und andere Werkzeuge lagen, hatten sie schon hinausgetragen; lockerten jetzt den schon im Boden fest eingegrabenen Schreibtisch, an dem er als Handelsakademiker, als B"urgersch"uler, ja sogar schon als Volkssch"uler seine Aufgaben geschrieben hatte, – da hatte er wirklich keine Zeit mehr, die guten Absichten zu pr"ufen, welche die zwei Frauen hatten, deren Existenz er "ubrigens fast vergessen hatte, denn vor Ersch"opfung arbeiteten sie schon stumm, und man h"orte nur das schwere Tappen ihrer F"usse.
Und so brach er denn hervor – die Frauen st"utzten sich gerade im Nebenzimmer an den Schreibtisch, um ein wenig zu verschnaufen –, wechselte viermal die Richtung des Laufes, er wusste wirklich nicht, was er zuerst retten sollte, da sah er an der im "ubrigen schon leeren Wand auffallend das Bild der in lauter Pelzwerk gekleideten Dame h"angen, kroch eilends hinauf und presste sich an das Glas, das ihn festhielt und seinem heissen Bauch wohltat. Dieses Bild wenigstens, das Gregor jetzt ganz verdeckte, w"urde nun gewiss niemand wegnehmen. Er verdrehte den Kopf nach der T"ur des Wohnzimmers, um die Frauen bei ihrer R"uckkehr zu beobachten.
Sie hatten sich nicht viel Ruhe geg"onnt und kamen schon wieder; Grete hatte den Arm um die Mutter gelegt und trug sie fast. "Also was nehmen wir jetzt?" sagte Grete und sah sich um. Da kreuzten sich ihre Blicke mit denen Gregors an der Wand. Wohl nur infolge der Gegenwart der Mutter behielt sie ihre Fassung, beugte ihr Gesicht zur Mutter, um diese vom Herumschauen abzuhalten, und sagte, allerdings zitternd und un"uberlegt: "Komm, wollen wir nicht lieber auf einen Augenblick noch ins Wohnzimmer zur"uckgehen?" Die Absicht Gretes war f"ur Gregor klar, sie wollte die Mutter in Sicherheit bringen und dann ihn von der Wand hinunterjagen. Nun, sie konnte es ja immerhin versuchen! Er sass auf seinem Bild und gab es nicht her. Lieber w"urde er Grete ins Gesicht springen.
Aber Gretes Worte hatten die Mutter erst recht beunruhigt, sie trat zur Seite, erblickte den riesigen braunen Fleck auf der gebl"umten Tapete, rief, ehe ihr eigentlich zum Bewusstsein kam, dass das Gregor war, was sie sah, mit schreiender, rauher Stimme: "Ach Gott, ach Gott! " und fiel mit ausgebreiteten Armen, als gebe sie alles auf, "uber das Kanapee hin und r"uhrte sich nicht. "Du, Gregor! " rief die Schwester mit erhobener Faust und eindringlichen Blicken. Es waren seit der Verwandlung die ersten Worte, die sie unmittelbar an ihn gerichtet hatte. Sie lief ins Nebenzimmer, um irgendeine Essenz zu holen, mit der sie die Mutter aus ihrer Ohnmacht wecken k"onnte; Gregor wollte auch helfen – zur Rettung des Bildes war noch Zeit –; er klebte aber fest an dem Glas und musste sich mit Gewalt losreissen; er lief dann auch ins Nebenzimmer, als k"onne er der Schwester irgendeinen Rat geben, wie in fr"uherer Zeit; musste dann aber unt"atig hinter ihr stehen, w"ahrend sie in verschiedenen Fl"aschchen kramte; erschreckte sie noch, als sie sich umdrehte; eine Flasche fiel auf den Boden und zerbrach; ein Splitter verletzte Gregor im Gesicht, irgendeine "atzende Medizin umfloss ihn; Grete nahm nun, ohne sich l"anger aufzuhalten, soviel Fl"aschchen, als sie nur halten konnte, und rannte mit ihnen zur Mutter hinein; die T"ur schlug sie mit dem Fusse zu. Gregor war nun von der Mutter abgeschlossen, die durch seine Schuld vielleicht dem Tode nahe war; die T"ur durfte er nicht "offnen, wollte er die Schwester, die bei der Mutter bleiben musste, nicht verjagen; er hatte jetzt nichts zu tun, als zu warten; und von Selbstvorw"urfen und Besorgnis bedr"angt, begann er zu kriechen, "uberkroch alles, W"ande, M"obel und Zimmerdecke und fiel endlich in seiner Verzweiflung, als sich das ganze Zimmer schon um ihn zu drehen anfing, mitten auf den grossen Tisch.
Es verging eine kleine Weile, Gregor lag matt da, ringsherum war es still, vielleicht war das ein gutes Zeichen. Da l"autete es. Das M"adchen war nat"urlich in ihrer K"uche eingesperrt und Grete musste daher "offnen gehen. Der Vater war gekommen. "Was ist geschehen" waren seine ersten Worte; Gretes Aussehen hatte ihm wohl alles verraten. Grete antwortete mit dumpfer Stimme, offenbar dr"uckte sie ihr Gesicht an des Vaters Brust: "Die Mutter war ohnm"achtig, aber es geht ihr schon besser. Gregor ist ausgebrochen. " "Ich habe es ja erwartet", sagte der Vater, "ich habe es euch ja immer gesagt, aber ihr Frauen wollt nicht h"oren." Gregor war es klar, dass der Vater Gretes allzukurze Mitteilung schlecht gedeutet hatte und annahm, dass Gregor sich irgendeine Gewalttat habe zuschulden kommen lassen. Deshalb musste Gregor den Vater jetzt zu bes"anftigen suchen, denn ihn aufzukl"aren hatte er weder Zeit noch M"oglichkeit. Und so fl"uchtete er sich zur T"ur seines Zimmers und dr"uckte sich an sie, damit der Vater beim Eintritt vom Vorzimmer her gleich sehen k"onne, dass Gregor die beste Absicht habe, sofort in sein Zimmer zur"uckzukehren, und dass es nicht n"otig sei, ihn zur"uckzutreiben, sondern dass man nur die T"ur zu "offnen brauche, und gleich werde er verschwinden.