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1915 Кары (сборник)
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"Nun", sagte Gregor und war sich dessen wohl bewusst, dass er der einzige war, der die Ruhe bewahrt hatte, "ich werde mich gleich anziehen, die Kollektion zusammenpacken und wegfahren. Wollt Ihr, wollt Ihr mich wegfahren lassen? Nun, Herr Prokurist, Sie sehen, ich bin nicht starrk"opfig und ich arbeite gern; das Reisen ist beschwerlich, aber ich k"onnte ohne das Reisen nicht leben. Wohin gehen Sie denn, Herr Prokurist Ins Gesch"aft? Ja? Werden Sie alles wahrheitsgetreu berichten? Man kann im Augenblick unf"ahig sein zu arbeiten, aber dann ist gerade der richtige Zeitpunkt, sich an die fr"uheren Leistungen zu erinnern und zu bedenken, dass man sp"ater, nach Beseitigung des Hindernisses, gewiss desto fleissiger und gesammelter arbeiten wird. Ich bin ja dem Herrn Chef so sehr verpflichtet, das wissen Sie doch recht gut. Andererseits habe ich die Sorge um meine Eltern und die Schwester. Ich bin in der Klemme, ich werde mich aber auch wieder herausarbeiten. Machen Sie es mir aber nicht schwieriger, als es schon ist. Halten Sie im Gesch"aft meine Partei! Man liebt den Reisenden nicht, ich weiss. Man denkt, er verdient ein Heidengeld und f"uhrt dabei ein sch"ones Leben. Man hat eben keine besondere Veranlassung, dieses Vorurteil besser zu durchdenken. Sie aber, Herr Prokurist, Sie haben einen besseren "Uberblick "uber die Verh"altnisse, als das sonstige Personal, ja sogar, ganz im Vertrauen gesagt, einen besseren "Uberblick, als der Herr Chef selbst, der in seiner Eigenschaft als Unternehmer sich in seinem Urteil leicht zu Ungunsten eines Angestellten beirren l"asst. Sie wissen auch sehr wohl, dass der Reisende, der fast das ganze Jahr ausserhalb des Gesch"aftes ist, so leicht ein Opfer von Klatschereien, Zuf"alligkeiten und grundlosen Beschwerden werden kann, gegen die sich zu wehren ihm ganz unm"oglich ist, da er von ihnen meistens gar nichts erf"ahrt und nur dann, wenn er ersch"opft eine Reise beendet hat, zu Hause die schlimmen, auf ihre Ursachen hin nicht mehr zu durchschauenden Folgen am eigenen Leibe zu sp"uren bekommt. Herr Prokurist, gehen Sie nicht weg, ohne mir ein Wort gesagt zu haben, das mir zeigt, dass Sie mir wenigstens zu einem kleinen Teil recht geben! <<

Aber der Prokurist hatte sich schon bei den ersten Worten Gregors abgewendet, und nur "uber die zuckende Schulter hinweg sah er mit aufgeworfenen Lippen nach Gregor zur"uck. Und w"ahrend Gregors Rede stand er keinen Augenblick still, sondern verzog sich, ohne Gregor aus den Augen zu lassen, gegen die T"ur, aber ganz allm"ahlich, als bestehe ein geheimes Verbot, das Zimmer zu verlassen. Schon war er im Vorzimmer, und nach der pl"otzlichen Bewegung, mit der er zum letztenmal den Fuss aus dem Wohnzimmer zog, h"atte man glauben k"onnen, er habe sich soeben die Sohle verbrannt. Im Vorzimmer aber streckte er die rechte Hand weit von sich zur Treppe hin, als warte dort auf ihn eine geradezu "uberirdische Erl"osung.

Gregor sah ein, dass er den Prokuristen in dieser Stimmung auf keinen Fall weggehen lassen d"urfe, wenn dadurch seine Stellung im Gesch"aft nicht aufs "ausserste gef"ahrdet werden sollte. Die Eltern verstanden das alles nicht so gut; sie hatten sich in den langen Jahren die "Uberzeugung gebildet, dass Gregor in diesem Gesch"aft f"ur sein Leben versorgt war, und hatten ausserdem jetzt mit den augenblicklichen Sorgen so viel zu tun, dass ihnen jede Voraussicht abhanden gekommen war. Aber Gregor hatte diese Voraussicht. Der Prokurist musste gehalten, beruhigt, "uberzeugt und schliesslich gewonnen werden; die Zukunft Gregors und seiner Familie hing doch davon ab! W"are doch die Schwester hier gewesen! Sie war klug; sie hatte schon geweint, als Gregor noch ruhig auf dem R"ucken lag. Und gewiss h"atte der Prokurist, dieser Damenfreund, sich von ihr lenken lassen; sie h"atte die Wohnungst"ur zugemacht und ihm im Vorzimmer den Schrecken ausgeredet. Aber die Schwester war eben nicht da, Gregor selbst musste handeln. Und ohne daran zu denken, dass er seine gegenw"artigen F"ahigkeiten, sich zu bewegen, noch gar nicht kannte, ohne auch daran zu denken, dass seine Rede m"oglicher- ja wahrscheinlicherweise wieder nicht verstanden worden war, verliess er den T"urfl"ugel; schob sich durch die "Offnung; wollte zum Prokuristen hingehen, der sich schon am Gel"ander des Vorplatzes l"acherlicherweise mit beiden H"anden festhielt; fiel aber sofort, nach einem Halt suchend, mit einem kleinen Schrei auf seine vielen Beinchen nieder. Kaum war das geschehen, f"uhlte er zum erstenmal an diesem Morgen ein k"orperliches Wohlbehagen; die Beinchen hatten festen Boden unter sich; sie gehorchten vollkommen, wie er zu seiner Freude merkte; strebten sogar darnach, ihn fortzutragen, wohin er wollte; und schon glaubte er, die endg"ultige Besserung alles Leidens stehe unmittelbar bevor. Aber im gleichen Augenblick, als er da schaukelnd vor verhaltener Bewegung, gar nicht weit von seiner Mutter entfernt, ihr gerade gegen"uber auf dem Boden lag, sprang diese, die doch so ganz in sich versunken schien, mit einemmale in die H"ohe, die Arme weit ausgestreckt, die Finger gespreizt, rief: "Hilfe, um Gottes willen Hilfe! ", hielt den Kopf geneigt, als wolle sie Gregor besser sehen, lief aber, im Widerspruch dazu, sinnlos zur"uck; hatte vergessen, dass hinter ihr der gedeckte Tisch stand; setzte sich, als sie bei ihm angekommen war, wie in Zerstreutheit, eilig auf ihn; und schien gar nicht zu merken, dass neben ihr aus der umgeworfenen grossen Kanne der Kaffee in vollem Strome auf den Teppich sich ergoss.

"Mutter, Mutter", sagte Gregor leise, und sah zu ihr hinauf. Der Prokurist war ihm f"ur einen Augenblick ganz aus dem Sinn gekommen; dagegen konnte er sich nicht versagen, im Anblick des fliessenden Kaffees mehrmals mit den Kiefern ins Leere zu schnappen. Dar"uber schrie die Mutter neuerdings auf, fl"uchtete vom Tisch und fiel dem ihr entgegeneilenden Vater in die Arme. Aber Gregor hatte jetzt keine Zeit f"ur seine Eltern; der Prokurist war schon auf der Treppe; das Kinn auf dem Gel"ander, sah er noch zum letzten Male zur"uck. Gregor nahm einen Anlauf, um ihn m"oglichst sicher einzuholen; der Prokurist musste etwas ahnen, denn er machte einen Sprung "uber mehrere Stufen und verschwand; "Huh! " aber schrie er noch, es klang durchs ganze Treppenhaus. Leider schien nun auch diese Flucht des Prokuristen den Vater, der bisher verh"altnism"assig gefasst gewesen war, v"ollig zu verwirren, denn statt selbst dem Prokuristen nachzulaufen oder wenigstens Gregor in der Verfolgung nicht zu hindern, packte er mit der Rechten den Stock des Prokuristen, den dieser mit Hut und "Uberzieher auf einem Sessel zur"uckgelassen hatte, holte mit der Linken eine grosse Zeitung vom Tisch und machte sich unter F"ussestampfen daran, Gregor durch Schwenken des Stockes und der Zeitung in sein Zimmer zur"uckzutreiben. Kein Bitten Gregors half, kein Bitten wurde auch verstanden, er mochte den Kopf noch so dem"utig drehen, der Vater stampfte nur st"arker mit den F"ussen. Dr"uben hatte die Mutter trotz des k"uhlen Wetters ein Fenster aufgerissen, und hinausgelehnt dr"uckte sie ihr Gesicht weit ausserhalb des Fensters in ihre H"ande. Zwischen Gasse und Treppenhaus entstand eine starke Zugluft, die Fenstervorh"ange flogen auf, die Zeitungen auf dem Tische rauschten, einzelne Bl"atter wehten "uber den Boden hin. Unerbittlich dr"angte der Vater und stiess Zischlaute aus, wie ein Wilder. Nun hatte aber Gregor noch gar keine "Ubung im R"uckw"artsgehen, es ging wirklich sehr langsam. Wenn sich Gregor nur h"atte umdrehen d"urfen, er w"are gleich in seinem Zimmer gewesen, aber er f"urchtete sich, den Vater durch die zeitraubende Umdrehung ungeduldig zu machen, und jeden Augenblick drohte ihm doch von dem Stock in des Vaters Hand der t"odliche Schlag auf den R"ucken oder auf den Kopf. Endlich aber blieb Gregor doch nichts anderes "ubrig, denn er merkte mit Entsetzen, dass er im R"uckw"artsgehen nicht einmal die Richtung einzuhalten verstand; und so begann er, unter unaufh"orlichen "angstlichen Seitenblicken nach dem Vater, sich nach M"oglichkeit rasch, in Wirklichkeit aber doch nur sehr langsam umzudrehen. Vielleicht merkte der Vater seinen guten Willen, denn er st"orte ihn hierbei nicht, sondern dirigierte sogar hie und da die Drehbewegung von der Ferne mit der Spitze seines Stockes. Wenn nur nicht dieses unertr"agliche Zischen des Vaters gewesen w"are! Gregor verlor dar"uber ganz den Kopf. Er war schon fast ganz umgedreht, als er sich, immer auf dieses Zischen horchend, sogar irrte und sich wieder ein St"uck zur"uckdrehte. Als er aber endlich gl"ucklich mit dem Kopf vor der T"ur"offnung war, zeigte es sich, dass sein K"orper zu breit war, um ohne weiteres durchzukommen. Dem Vater fiel es nat"urlich in seiner gegenw"artigen Verfassung auch nicht entfernt ein, etwa den anderen T"urfl"ugel zu "offnen, um f"ur Gregor einen gen"ugenden Durchgang zu schaffen. Seine fixe Idee war bloss, dass Gregor so rasch als m"oglich in sein Zimmer m"usse. Niemals h"atte er auch die umst"andlichen Vorbereitungen gestattet, die Gregor brauchte, um sich aufzurichten und vielleicht auf diese Weise durch die T"ur zu kommen. Vielmehr trieb er, als g"abe es kein Hindernis, Gregor jetzt unter besonderem L"arm vorw"arts; es klang schon hinter Gregor gar nicht mehr wie die Stimme bloss eines einzigen Vaters; nun gab es wirklich keinen Spass mehr, und Gregor dr"angte sich – geschehe was wolle – in die T"ur. Die eine Seite seines K"orpers hob sich, er lag schief in der T"ur"offnung, seine eine Flanke war ganz wundgerieben, an der weissen T"ur blieben h"assliche Flecken, bald steckte er fest und h"atte sich allein nicht mehr r"uhren k"onnen, die Beinchen auf der einen Seite hingen zitternd oben in der Luft, die auf der anderen waren schmerzhaft zu Boden gedr"uckt – da gab ihm der Vater von hinten einen jetzt wahrhaftig erl"osenden starken Stoss, und er flog, heftig blutend, weit in sein Zimmer hinein. Die T"ur wurde noch mit dem Stock zugeschlagen, dann war es endlich still.

II

Erst in der Abendd"ammerung erwachte Gregor aus seinem schweren ohnmachts"ahnlichen Schlaf. Er w"are gewiss nicht viel sp"ater auch ohne St"orung erwacht, denn er f"uhlte sich gen"ugend ausgeruht und ausgeschlafen, doch schien es ihm, als h"atte ihn ein fl"uchtiger Schritt und ein vorsichtiges Schliessen der zum Vorzimmer f"uhrenden T"ur geweckt. Der Schein der elektrischen Strassenlampen lag bleich hier und da auf der Zimmerdecke und auf den h"oheren Teilen der M"obel, aber unten bei Gregor war es finster. Langsam schob er sich, noch ungeschickt mit seinen F"uhlern tastend, die er erst jetzt sch"atzen lernte, zur T"ure hin, um nachzusehen, was dort geschehen war. Seine linke Seite schien eine einzige lange, unangenehm spannende Narbe und er musste auf seinen zwei Beinreihen regelrecht hinken. Ein Beinchen war "ubrigens im Laufe der vormitt"agigen Vorf"alle schwer verletzt worden – es war fast ein Wunder, dass nur eines verletzt worden war – und schleppte leblos nach.

Erst bei der T"ur merkte er, was ihn dorthin eigentlich gelockt hatte; es war der Geruch von etwas Essbarem gewesen. Denn dort stand ein Napf mit s"usser Milch gef"ullt, in der kleine Schnitten von Weissbrot schwammen. Fast h"atte er vor Freude gelacht, denn er hatte noch gr"osseren Hunger, als am Morgen, und gleich tauchte er seinen Kopf fast bis "uber die Augen in die Milch hinein. Aber bald zog er ihn entt"auscht wieder zur"uck; nicht nur, dass ihm das Essen wegen seiner heiklen linken Seite Schwierigkeiten machte – und er konnte nur essen, wenn der ganze K"orper schnaufend mitarbeitete –, so schmeckte ihm "uberdies die Milch, die sonst sein Lieblingsgetr"ank war, und die ihm gewiss die Schwester deshalb hereingestellt hatte, gar nicht, ja er wandte sich fast mit Widerwillen von dem Napf ab und kroch in die Zimmermitte zur"uck.

Im Wohnzimmer war, wie Gregor durch die T"urspalte sah, das Gas angez"undet, aber w"ahrend sonst zu dieser Tageszeit der Vater seine nachmittags erscheinende Zeitung der Mutter und manchmal auch der Schwester mit erhobener Stimme vorzulesen pflegte, h"orte man jetzt keinen Laut. Nun vielleicht war dieses Vorlesen, von dem ihm die Schwester immer erz"ahlte und schrieb, in der letzten Zeit "uberhaupt aus der "Ubung gekommen. Aber auch ringsherum war es so still, trotzdem doch gewiss die Wohnung nicht leer war. "Was f"ur ein stilles Leben die Familie doch f"uhrte", sagte sich Gregor und f"uhlte, w"ahrend er starr vor sich ins Dunkle sah, einen grossen Stolz dar"uber, dass er seinen Eltern und seiner Schwester ein solches Leben in einer so sch"onen Wohnung hatte verschaffen k"onnen. Wie aber, wenn jetzt alle Ruhe, aller Wohlstand, alle Zufriedenheit ein Ende mit Schrecken nehmen sollte? Um sich nicht in solche Gedanken zu verlieren, setzte sich Gregor lieber in Bewegung und kroch im Zimmer auf und ab.

Einmal w"ahrend des langen Abends wurde die eine Seitent"ure und einmal die andere bis zu einer kleinen Spalte ge"offnet und rasch wieder geschlossen; jemand hatte wohl das Bed"urfnis hereinzukommen, aber auch wieder zuviele Bedenken. Gregor machte nun unmittelbar bei der Wohnzimmert"ur halt, entschlossen, den z"ogernden Besucher doch irgendwie hereinzubringen oder doch wenigstens zu erfahren, wer es sei; aber nun wurde die T"ur nicht mehr ge"offnet und Gregor wartete vergebens. Fr"uh, als die T"uren versperrt waren, hatten alle zu ihm hereinkommen wollen, jetzt, da er die eine T"ur ge"offnet hatte und die anderen offenbar w"ahrend des Tages ge"offnet worden waren, kam keiner mehr, und die Schl"ussel steckten nun auch von aussen.

Sp"at erst in der Nacht wurde das Licht im Wohnzimmer ausgel"oscht, und nun war leicht festzustellen, dass die Eltern und die Schwester so lange wachgeblieben waren, denn wie man genau h"oren konnte, entfernten sich jetzt alle drei auf den Fussspitzen. Nun kam gewiss bis zum Morgen niemand mehr zu Gregor herein; er hatte also eine lange Zeit, um ungest"ort zu "uberlegen, wie er sein Leben jetzt neu ordnen sollte. Aber das hohe freie Zimmer, in dem er gezwungen war, flach auf dem Boden zu liegen, "angstigte ihn, ohne dass er die Ursache herausfinden konnte, denn es war ja sein seit f"unf Jahren von ihm bewohntes Zimmer – und mit einer halb unbewussten Wendung und nicht ohne eine leichte Scham eilte er unter das Kanapee, wo er sich, trotzdem sein R"ucken ein wenig gedr"uckt wurde und trotzdem er den Kopf nicht mehr erheben konnte, gleich sehr behaglich f"uhlte und nur bedauerte, dass sein K"orper zu breit war, um vollst"andig unter dem Kanapee untergebracht zu werden.

Dort blieb er die ganze Nacht, die er zum Teil im Halbschlaf, aus dem ihn der Hunger immer wieder aufschreckte, verbrachte, zum Teil aber in Sorgen und undeutlichen Hoffnungen, die aber alle zu dem Schlusse f"uhrten, dass er sich vorl"aufig ruhig verhalten und durch Geduld und gr"osste R"ucksichtnahme der Familie die Unannehmlichkeiten ertr"aglich machen m"usse, die er ihr in seinem gegenw"artigen Zustand nun einmal zu verursachen gezwungen war.

Schon am fr"uhen Morgen, es war fast noch Nacht, hatte Gregor Gelegenheit, die Kraft seiner eben gefassten Entschl"usse zu pr"ufen, denn vom Vorzimmer her "offnete die Schwester, fast v"ollig angezogen, die T"ur und sah mit Spannung herein. Sie fand ihn nicht gleich, aber als sie ihn unter dem Kanapee bemerkte – Gott, er musste doch irgendwo sein, er hatte doch nicht wegfliegen k"onnen – erschrak sie so sehr, dass sie, ohne sich beherrschen zu k"onnen, die T"ur von aussen wieder zuschlug. Aber als bereue sie ihr Benehmen, "offnete sie die T"ur sofort wieder und trat, als sei sie bei einem Schwerkranken oder gar bei einem Fremden, auf den Fussspitzen herein. Gregor hatte den Kopf bis knapp zum Rande des Kanapees vorgeschoben und beobachtete sie. Ob sie wohl bemerken w"urde, dass er die Milch stehen gelassen hatte, und zwar keineswegs aus Mangel an Hunger, und ob sie eine andere Speise hereinbringen w"urde, die ihm besser entsprach? T"ate sie es nicht von selbst, er wollte lieber verhungern, als sie darauf aufmerksam machen, trotzdem es ihn eigentlich ungeheuer dr"angte, unterm Kanapee vorzuschiessen, sich der Schwester zu F"ussen zu werfen und sie um irgendetwas Gutes zum Essen zu bitten. Aber die Schwester bemerkte sofort mit Verwunderung den noch vollen Napf, aus dem nur ein wenig Milch ringsherum versch"uttet war, sie hob ihn gleich auf, zwar nicht mit den blossen H"anden, sondern mit einem Fetzen, und trug ihn hinaus. Gregor war "ausserst neugierig, was sie zum Ersatze bringen w"urde, und er machte sich die verschiedensten Gedanken dar"uber. Niemals aber h"atte er erraten k"onnen, was die Schwester in ihrer G"ute wirklich tat. Sie brachte ihm, um seinen Geschmack zu pr"ufen, eine ganze Auswahl, alles auf einer alten Zeitung ausgebreitet. Da war altes halbverfaultes Gem"use; Knochen vom Nachtmahl her, die von festgewordener weisser Sauce umgeben waren; ein paar Rosinen und Mandeln; ein K"ase, den Gregor vor zwei Tagen f"ur ungeniessbar erkl"art hatte; ein trockenes Brot, ein mit Butter beschmiertes Brot und ein mit Butter beschmiertes und gesalzenes Brot. Ausserdem stellte sie zu dem allen noch den wahrscheinlich ein f"ur allemal f"ur Gregor bestimmten Napf, in den sie Wasser gegossen hatte. Und aus Zartgef"uhl, da sie wusste, dass Gregor vor ihr nicht essen w"urde, entfernte sie sich eiligst und drehte sogar den Schl"ussel um, damit nur Gregor merken k"onne, dass er es sich so behaglich machen d"urfe, wie er wolle. Gregors Beinchen schwirrten, als es jetzt zum Essen ging. Seine Wunden mussten "ubrigens auch schon vollst"andig geheilt sein, er f"uhlte keine Behinderung mehr, er staunte dar"uber und dachte daran, wie er vor mehr als einem Monat sich mit dem Messer ganz wenig in den Finger geschnitten, und wie ihm diese Wunde noch vorgestern genug wehgetan hatte. "Sollte ich jetzt weniger Feingef"uhl haben?" dachte er und saugte schon gierig an dem K"ase, zu dem es ihn vor allen anderen Speisen sofort und nachdr"ucklich gezogen hatte. Rasch hintereinander und mit vor Befriedigung tr"anenden Augen verzehrte er den K"ase, das Gem"use und die Sauce; die frischen Speisen dagegen schmeckten ihm nicht, er konnte nicht einmal ihren Geruch vertragen und schleppte sogar die Sachen, die er essen wollte, ein St"uckchen weiter weg. Er war schon l"angst mit allem fertig und lag nur noch faul auf der gleichen Stelle, als die Schwester zum Zeichen, dass er sich zur"uckziehen solle, langsam den Schl"ussel umdrehte. Das schreckte ihn sofort auf, trotzdem er schon fast schlummerte, und er eilte wieder unter das Kanapee. Aber es kostete ihn grosse Selbst"uberwindung, auch nur die kurze Zeit, w"ahrend welcher die Schwester im Zimmer war, unter dem Kanapee zu bleiben, denn von dem reichlichen Essen hatte sich sein Leib ein wenig gerundet und er konnte dort in der Enge kaum atmen. Unter kleinen Erstickungsanfallen sah er mit etwas hervorgequollenen Augen zu, wie die nichtsahnende Schwester mit einem Besen nicht nur die "Uberbleibsel zusammenkehrte, sondern selbst die von Gregor gar nicht ber"uhrten Speisen, als seien also auch diese nicht mehr zu gebrauchen, und wie sie alles hastig in einen K"ubel sch"uttete, den sie mit einem Holzdeckel schloss, worauf sie alles hinaustrug. Kaum hatte sie sich umgedreht, zog sich schon Gregor unter dem Kanapee hervor und streckte und bl"ahte sich.

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