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1915 Кары (сборник)
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"Abends wird sie entlassen", sagte Herr Samsa, bekam aber weder von seiner Frau, noch von seiner Tochter eine Antwort, denn die Bedienerin schien ihre kaum gewonnene Ruhe wieder gest"ort zu haben. Sie erhoben sich, gingen zum Fenster und blieben dort, sich umschlungen haltend. Herr Samsa drehte sich in seinem Sessel nach ihnen um und beobachtete sie still ein Weilchen. Dann rief er: "Also kommt doch her. Lasst schon endlich die alten Sachen. Und nehmt auch ein wenig R"ucksicht auf mich. " Gleich folgten ihm die Frauen, eilten zu ihm, liebkosten ihn und beendeten rasch ihre Briefe.

Dann verliessen alle drei gemeinschaftlich die Wohnung, was sie schon seit Monaten nicht getan hatten, und fuhren mit der Elektrischen ins Freie vor die Stadt. Der Wagen, in dem sie allein sassen, war ganz von warmer Sonne durchschienen. Sie besprachen, bequem auf ihren Sitzen zur"uckgelehnt, die Aussichten f"ur die Zukunft, und es fand sich, dass diese bei n"aherer Betrachtung durchaus nicht schlecht waren, denn aller drei Anstellungen waren, wor"uber sie einander eigentlich noch gar nicht ausgefragt hatten, "uberaus g"unstig und besonders f"ur sp"ater vielversprechend. Die gr"osste augenblickliche Besserung der Lage musste sich nat"urlich leicht durch einen Wohnungswechsel ergeben; sie wollten nun eine kleinere und billigere, aber besser gelegene und "uberhaupt praktischere Wohnung nehmen, als es die jetzige, noch von Gregor ausgesuchte war. W"ahrend sie sich so unterhielten, fiel es Herrn und Frau Samsa im Anblick ihrer immer lebhafter werdenden Tochter fast gleichzeitig ein, wie sie in der letzten Zeit trotz aller Plage, die ihre Wangen bleich gemacht hatte, zu einem sch"onen und "uppigen M"adchen aufgebl"uht war. Stiller werdend und fast unbewusst durch Blicke sich verst"andigend, dachten sie daran, dass es nun Zeit sein werde, auch einen braven Mann f"ur sie zu suchen. Und es war ihnen wie eine Best"atigung ihrer neuen Tr"aume und guten Absichten, als am Ziele ihrer Fahrt die Tochter als erste sich erhob und ihren jungen K"orper dehnte.

3. IN DER STRAFKOLONIE

"Es ist ein eigent"umlicher Apparat", sagte der Offizier zu dem Forschungsreisenden und "uberblickte mit einem gewissermassen bewundernden Blick den ihm doch wohlbekannten Apparat. Der Reisende schien nur aus H"oflichkeit der Einladung des Kommandanten gefolgt zu sein, der ihn aufgefordert hatte, der Exekution eines Soldaten beizuwohnen, der wegen Ungehorsam und Beleidigung des Vorgesetzten verurteilt worden war. Das Interesse f"ur diese Exekution war wohl auch in der Strafkolonie nicht sehr gross. Wenigstens war hier in dem tiefen, sandigen, von kahlen Abh"angen ringsum abgeschlossenen kleinen Tal ausser dem Offizier und dem Reisenden nur der Verurteilte, ein stumpfsinniger, breitm"auliger Mensch mit verwahrlostem Haar und Gesicht und ein Soldat zugegen, der die schwere Kette hielt, in welche die kleinen Ketten ausliefen, mit denen der Verurteilte an den Fuss- und Handkn"ocheln sowie am Hals gefesselt war und die auch untereinander durch Verbindungsketten zusammenhingen. "Ubrigens sah der Verurteilte so h"undisch ergeben aus, dass es den Anschein hatte, als k"onnte man ihn frei auf den Abh"angen herumlaufen lassen und m"usse bei Beginn der Exekution nur pfeifen, damit er k"ame.

Der Reisende hatte wenig Sinn f"ur den Apparat und ging hinter dem Verurteilten fast sichtbar unbeteiligt auf und ab, w"ahrend der Offizier die letzten Vorbereitungen besorgte, bald unter den tief in die Erde eingebauten Apparat kroch, bald auf eine Leiter stieg, um die oberen Teile zu untersuchen. Das waren Arbeiten, die man eigentlich einem Maschinisten h"atte "uberlassen k"onnen, aber der Offizier f"uhrte sie mit einem grossen Eifer aus, sei es, dass er ein besonderer Anh"anger dieses Apparates war, sei es, dass man aus anderen Gr"unden die Arbeit sonst niemandem anvertrauen konnte. "Jetzt ist alles fertig! " rief er endlich und stieg von der Leiter hinunter. Er war ungemein ermattet, atmete mit weit offenem Mund und hatte zwei zarte Damentaschent"ucher hinter den Uniformkragen gezw"angt. "Diese Uniformen sind doch f"ur die Tropen zu schwer", sagte der Reisende, statt sich, wie es der Offizier erwartet hatte, nach dem Apparat zu erkundigen. "Gewiss", sagte der Offizier und wusch sich die von "Ol und Fett beschmutzten H"ande in einem bereitstehenden Wasserk"ubel, "aber sie bedeuten die Heimat; wir wollen nicht die Heimat verlieren. – Nun sehen Sie aber diesen Apparat", f"ugte er gleich hinzu, trocknete die H"ande mit einem Tuch und zeigte gleichzeitig auf den Apparat. "Bis jetzt war noch H"andearbeit n"otig, von jetzt aber arbeitet der Apparat ganz allein. " Der Reisende nickte und folgte dem Offizier. Dieser suchte sich f"ur alle Zwischenf"alle zu sichern und sagte dann: "Es kommen nat"urlich St"orungen vor; ich hoffe zwar, es wird heute keine eintreten, immerhin muss man mit ihnen rechnen. Der Apparat soll ja zw"olf Stunden ununterbrochen im Gang sein. Wenn aber auch St"orungen vorkommen, so sind es doch nur ganz kleine und sie werden sofort behoben sein. "

"Wollen Sie sich nicht setzen?" fragte er schliesslich, zog aus einem Haufen von Rohrst"uhlen einen hervor und bot ihn dem Reisenden an; dieser konnte nicht ablehnen. Er sass nun am Rande einer Grube, in die er einen fl"uchtigen Blick warf. Sie war nicht sehr tief. Zur einen Seite der Grube war die ausgegrabene Erde zu einem Wall aufgeh"auft, zur anderen Seite stand der Apparat. "Ich weiss nicht", sagte der Offizier, "ob Ihnen der Kommandant den Apparat schon erkl"art hat. " Der Reisende machte eine ungewisse Handbewegung; der Offizier verlangte nichts Besseres, denn nun konnte er selbst den Apparat erkl"aren. "Dieser Apparat", sagte er und fasste eine Kurbelstange, auf die er sich st"utzte, "ist eine Erfindung unseres fr"uheren Kommandanten. Ich habe gleich bei den allerersten Versuchen mitgearbeitet und war auch bei allen Arbeiten bis zur Vollendung beteiligt. Das Verdienst der Erfindung allerdings geb"uhrt ihm ganz allein. Haben Sie von unserem fr"uheren Kommandanten geh"ort? Nicht? Nun, ich behaupte nicht zu viel, wenn ich sage, dass die Einrichtung der ganzen Strafkolonie sein Werk ist. Wir, seine Freunde, wussten schon bei seinem Tod, dass die Einrichtung der Kolonie so in sich geschlossen ist, dass sein Nachfolger, und habe er tausend neue Pl"ane im Kopf, wenigstens w"ahrend vieler Jahre nichts von dem Alten wird "andern k"onnen. Unsere Voraussage ist auch eingetroffen; der neue Kommandant hat es erkennen m"ussen. Schade, dass Sie den fr"uheren Kommandanten nicht gekannt haben! – Aber", unterbrach sich der Offizier, "ich schw"atze, und sein Apparat steht hier vor uns. Er besteht, wie Sie sehen, aus drei Teilen. Es haben sich im Laufe der Zeit f"ur jeden dieser Teile gewissermassen volkst"umliche Bezeichnungen ausgebildet. Der untere heisst das Bett, der obere heisst der Zeichner, und hier der mittlere, schwebende Teil heisst die Egge." "Die Egge?" fragte der Reisende. Er hatte nicht ganz aufmerksam zugeh"ort, die Sonne verfing sich allzustark in dem schattenlosen Tal, man konnte schwer seine Gedanken sammeln. Um so bewundernswerter erschien ihm der Offizier, der im engen, paradem"assigen, mit Epauletten beschwerten, mit Schn"uren beh"angten Waffenrock so eifrig seine Sache erkl"arte und ausserdem, w"ahrend er sprach, mit einem Schraubendreher noch hier und da an einer Schraube sich zu schaffen machte. In "ahnlicher Verfassung wie der Reisende schien der Soldat zu sein. Er hatte um beide Handgelenke die Kette des Verurteilten gewickelt, st"utzte sich mit einer Hand auf sein Gewehr, liess den Kopf im Genick hinunterh"angen und k"ummerte sich um nichts. Der Reisende wunderte sich nicht dar"uber, denn der Offizier sprach franz"osisch und franz"osisch verstand gewiss weder der Soldat noch der Verurteilte. Um so auffallender war es allerdings, dass der Verurteilte sich dennoch bem"uhte, den Erkl"arungen des Offiziers zu folgen. Mit einer Art schl"afriger Beharrlichkeit richtete er die Blicke immer dorthin, wohin der Offizier gerade zeigte, und als dieser jetzt vom Reisenden mit einer Frage unterbrochen wurde, sah auch er, ebenso wie der Offizier, den Reisenden an.

"Ja, die Egge", sagte der Offizier, "der Name passt. Die Nadeln sind eggenartig angeordnet, auch wird das Ganze wie eine Egge gef"uhrt, wenn auch bloss auf einem Platz und viel kunstgem"asser. Sie werden es "ubrigens gleich verstehen. Hier auf das Bett wird der Verurteilte gelegt. – Ich will n"amlich den Apparat zuerst beschreiben und dann erst die Prozedur selbst ausf"uhren lassen. Sie werden ihr dann besser folgen k"onnen. Auch ist ein Zahnrad im Zeichner zu stark abgeschliffen; es kreischt sehr, wenn es im Gang ist; man kann sich dann kaum verst"andigen; Ersatzteile sind hier leider nur schwer zu beschaffen. – Also hier ist das Bett, wie ich sagte. Es ist ganz und gar mit einer Watteschicht bedeckt; den Zweck dessen werden Sie noch erfahren. Auf diese Watte wird der Verurteilte b"auchlings gelegt, nat"urlich nackt; hier sind f"ur die H"ande, hier f"ur die F"usse, hier f"ur den Hals Riemen, um ihn festzuschnallen. Hier am Kopfende des Bettes, wo der Mann, wie ich gesagt habe, zuerst mit dem Gesicht aufliegt, ist dieser kleine Filzstumpf, der leicht so reguliert werden kann, dass er dem Mann gerade in den Mund dringt. Er hat den Zweck, am Schreien und am Zerbeissen der Zunge zu hindern. Nat"urlich muss der Mann den Filz aufnehmen, da ihm sonst durch den Halsriemen das Genick gebrochen wird." "Das ist Watte?" fragte der Reisende und beugte sich vor. "Ja gewiss", sagte der Offizier l"achelnd, "bef"uhlen Sie es selbst." Er fasste die Hand des Reisenden und f"uhrte sie "uber das Bett hin. "Es ist eine besonders pr"aparierte Watte, darum sieht sie so unkenntlich aus; ich werde auf ihren Zweck noch zu sprechen kommen. " Der Reisende war schon ein wenig f"ur den Apparat gewonnen; die Hand zum Schutz gegen die Sonne "uber den Augen, sah er an dem Apparat in die H"ohe. Es war ein grosser Aufbau. Das Bett und der Zeichner hatten gleichen Umfang und sahen wie zwei dunkle Truhen aus. Der Zeichner war etwa zwei Meter "uber dem Bett angebracht; beide waren in den Ecken durch vier Messingstangen verbunden, die in der Sonne fast Strahlen warfen. Zwischen den Truhen schwebte an einem Stahlband die Egge.

Der Offizier hatte die fr"uhere Gleichg"ultigkeit des Reisenden kaum bemerkt, wohl aber hatte er f"ur sein jetzt beginnendes Interesse Sinn; er setzte deshalb in seinen Erkl"arungen aus, um dem Reisenden zur ungest"orten Betrachtung Zeit zu lassen. Der Verurteilte ahmte den Reisenden nach; da er die Hand nicht "uber die Augen legen konnte, blinzelte er mit freien Augen zur H"ohe.

"Nun liegt also der Mann", sagte der Reisende, lehnte sich im Sessel zur"uck und kreuzte die Beine.

"Ja", sagte der Offizier, schob ein wenig die M"utze zur"uck und fuhr sich mit der Hand "uber das heisse Gesicht, "nun h"oren Sie! Sowohl das Bett, als auch der Zeichner haben ihre eigene elektrische Batterie; das Bett braucht sie f"ur sich selbst, der Zeichner f"ur die Egge. Sobald der Mann festgeschnallt ist, wird das Bett in Bewegung gesetzt. Es zittert in winzigen, sehr schnellen Zuckungen gleichzeitig seitlich, wie auch auf und ab. Sie werden "ahnliche Apparate in Heilanstalten gesehen haben; nur sind bei unserem Bett alle Bewegungen genau berechnet; sie m"ussen n"amlich peinlich auf die Bewegungen der Egge abgestimmt sein. Dieser Egge aber ist die eigentliche Ausf"uhrung des Urteils "uberlassen."

"Wie lautet denn das Urteil?" fragte der Reisende. "Sie wissen auch das nicht?" sagte der Offizier erstaunt und biss sich auf die Lippen: "Verzeihen Sie, wenn vielleicht meine Erkl"arungen ungeordnet sind; ich bitte Sie sehr um Entschuldigung. Die Erkl"arungen pflegte fr"uher n"amlich der Kommandant zu geben; der neue Kommandant aber hat sich dieser Ehrenpflicht entzogen; dass er jedoch einen so hohen Besuch" – der Reisende suchte die Ehrung mit beiden H"anden abzuwehren, aber der Offizier bestand auf dem Ausdruck – "einen so hohen Besuch nicht einmal von der Form unseres Urteils in Kenntnis setzt, ist wieder eine Neuerung, die – ", er hatte einen Fluch auf den Lippen, fasste sich aber und sagte nur: "Ich wurde nicht davon verst"andigt, mich trifft nicht die Schuld. "Ubrigens bin ich allerdings am besten bef"ahigt, unsere Urteilsarten zu erkl"aren, denn ich trage hier" – er schlug auf seine Brusttasche – "die betreffenden Handzeichnungen des fr"uheren Kommandanten. "

"Handzeichnungen des Kommandanten selbst" fragte der Reisende: "Hat er denn alles in sich vereinigt? War er Soldat, Richter, Konstrukteur, Chemiker, Zeichner?"

"Jawohl", sagte der Offizier kopfnickend, mit starrem, nachdenklichem Blick. Dann sah er pr"ufend seine H"ande an; sie schienen ihm nicht rein genug, um die Zeichnungen anzufassen; er ging daher zum K"ubel und wusch sie nochmals. Dann zog er eine kleine Ledermappe hervor und sagte: "Unser Urteil klingt nicht streng. Dem Verurteilten wird das Gebot, das er "ubertreten hat, mit der Egge auf den Leib geschrieben. Diesem Verurteilten zum Beispiel" – der Offizier zeigte auf den Mann – "wird auf den Leib geschrieben werden: Ehre deinen Vorgesetzten! "

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