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"Weg muss es", rief die Schwester, "das ist das einzige Mittel, Vater. Du musst bloss den Gedanken loszuwerden suchen, dass es Gregor ist. Dass wir es solange geglaubt haben, das ist ja unser eigentliches Ungl"uck. Aber wie kann es denn Gregor sein? Wenn es Gregor w"are, er h"atte l"angst eingesehen, dass ein Zusammenleben von Menschen mit einem solchen Tier nicht m"oglich ist, und w"are freiwillig fortgegangen. Wir h"atten dann keinen Bruder, aber k"onnten weiter leben und sein Andenken in Ehren halten. So aber verfolgt uns dieses Tier, vertreibt die Zimmerherren, will offenbar die ganze Wohnung einnehmen und uns auf der Gasse "ubernachten lassen. Sieh nur, Vater", schrie sie pl"otzlich auf, "er f"angt schon wieder an! " Und in einem f"ur Gregor g"anzlich unverst"andlichen Schrecken verliess die Schwester sogar die Mutter, stiess sich f"ormlich von ihrem Sessel ab, als wollte sie lieber die Mutter opfern, als in Gregors N"ahe bleiben, und eilte hinter den Vater, der, lediglich durch ihr Benehmen erregt, auch aufstand und die Arme wie zum Schutze der Schwester vor ihr halb erhob.

Aber Gregor fiel es doch gar nicht ein, irgend jemandem und gar seiner Schwester Angst machen zu wollen. Er hatte bloss angefangen sich umzudrehen, um in sein Zimmer zur"uckzuwandern, und das nahm sich allerdings auffallend aus, da er infolge seines leidenden Zustandes bei den schwierigen Umdrehungen mit seinem Kopfe nachhelfen musste, den er hierbei viele Male hob und gegen den Boden schlug. Er hielt inne und sah sich um. Seine gute Absicht schien erkannt worden zu sein; es war nur ein augenblicklicher Schrecken gewesen. Nun sahen ihn alle schweigend und traurig an. Die Mutter lag, die Beine ausgestreckt und aneinandergedr"uckt, in ihrem Sessel, die Augen fielen ihr vor Ermattung fast zu; der Vater und die Schwester sassen nebeneinander, die Schwester hatte ihre Hand um des Vaters Hals gelegt.

"Nun darf ich mich schon vielleicht umdrehen", dachte Gregor und begann seine Arbeit wieder. Er konnte das Schnaufen der Anstrengung nicht unterdr"ucken und musste auch hie und da ausruhen. Im "ubrigen dr"angte ihn auch niemand, es war alles ihm selbst "uberlassen. Als er die Umdrehung vollendet hatte, fing er sofort an, geradeaus zur"uckzuwandern. Er staunte "uber die grosse Entfernung, die ihn von seinem Zimmer trennte, und begriff gar nicht, wie er bei seiner Schw"ache vor kurzer Zeit den gleichen Weg, fast ohne es zu merken, zur"uckgelegt hatte. Immerfort nur auf rasches Kriechen bedacht, achtete er kaum darauf, dass kein Wort, kein Ausruf seiner Familie ihn st"orte. Erst als er schon in der T"ur war, wendete er den Kopf, nicht vollst"andig, denn er f"uhlte den Hals steif werden, immerhin sah er noch, dass sich hinter ihm nichts ver"andert hatte, nur die Schwester war aufgestanden. Sein letzter Blick streifte die Mutter, die nun v"ollig eingeschlafen war.

Kaum war er innerhalb seines Zimmers, wurde die T"ur eiligst zugedr"uckt, festgeriegelt und versperrt. "Uber den pl"otzlichen L"arm hinter sich erschrak Gregor so, dass ihm die Beinchen einknickten. Es war die Schwester, die sich so beeilt hatte. Aufrecht war sie schon da gestanden und hatte gewartet, leichtf"ussig war sie dann vorw"artsgesprungen, Gregor hatte sie gar nicht kommen h"oren, und ein "Endlich! " rief sie den Eltern zu, w"ahrend sie den Schl"ussel im Schloss umdrehte.

"Und jetzt?" fragte sich Gregor und sah sich im Dunkeln um. Er machte bald die Entdeckung, dass er sich nun "uberhaupt nicht mehr r"uhren konnte. Er wunderte sich dar"uber nicht, eher kam es ihm unnat"urlich vor, dass er sich bis jetzt tats"achlich mit diesen d"unnen Beinchen hatte fortbewegen k"onnen. Im "ubrigen f"uhlte er sich verh"altnism"assig behaglich. Er hatte zwar Schmerzen im ganzen Leib, aber ihm war, als w"urden sie allm"ahlich schw"acher und schw"acher und w"urden schliesslich ganz vergehen. Den verfaulten Apfel in seinem R"ucken und die entz"undete Umgebung, die ganz von weichem Staub bedeckt waren, sp"urte er schon kaum. An seine Familie dachte er mit R"uhrung und Liebe zur"uck. Seine Meinung dar"uber, dass er verschwinden m"usse, war wom"oglich noch entschiedener, als die seiner Schwester. In diesem Zustand leeren und friedlichen Nachdenkens blieb er, bis die Turmuhr die dritte Morgenstunde schlug. Den Anfang des allgemeinen Hellerwerdens draussen vor dem Fenster erlebte er noch. Dann sank sein Kopf ohne seinen Willen g"anzlich nieder, und aus seinen N"ustern str"omte sein letzter Atem schwach hervor.

Als am fr"uhen Morgen die Bedienerin kam – vor lauter Kraft und Eile schlug sie, wie oft man sie auch schon gebeten hatte, das zu vermeiden, alle T"uren derartig zu, dass in der ganzen Wohnung von ihrem Kommen an kein ruhiger Schlaf mehr m"oglich war –, fand sie bei ihrem gew"ohnlichen kurzen Besuch an Gregor zuerst nichts Besonderes. Sie dachte, er liege absichtlich so unbeweglich da und spiele den Beleidigten; sie traute ihm allen m"oglichen Verstand zu. Weil sie zuf"allig den langen Besen in der Hand hielt, suchte sie mit ihm Gregor von der T"ur aus zu kitzeln. Als sich auch da kein Erfolg zeigte, wurde sie "argerlich und stiess ein wenig in Gregor hinein, und erst als sie ihn ohne jeden Widerstand von seinem Platze geschoben hatte, wurde sie aufmerksam. Als sie bald den wahren Sachverhalt erkannte, machte sie grosse Augen, pfiff vor sich hin, hielt sich aber nicht lange auf, sondern riss die T"ur des Schlafzimmers auf und rief mit lauter Stimme in das Dunkel hinein: "Sehen Sie nur mal an, es ist krepiert; da liegt es, ganz und gar krepiert! "

Das Ehepaar Samsa sass im Ehebett aufrecht da und hatte zu tun, den Schrecken "uber die Bedienerin zu verwinden, ehe es dazu kam, ihre Meldung aufzufassen. Dann aber stiegen Herr und Frau Samsa, jeder auf seiner Seite, eiligst aus dem Bett, Herr Samsa warf die Decke "uber seine Schultern, Frau Samsa kam nur im Nachthemd hervor; so traten sie in Gregors Zimmer. Inzwischen hatte sich auch die T"ur des Wohnzimmers ge"offnet, in dem Grete seit dem Einzug der Zimmerherren schlief; sie war v"ollig angezogen, als h"atte sie gar nicht geschlafen, auch ihr bleiches Gesicht schien das zu beweisen. "Tot?" sagte Frau Samsa und sah fragend zur Bedienerin auf, trotzdem sie doch alles selbst pr"ufen und sogar ohne Pr"ufung erkennen konnte. "Das will ich meinen", sagte die Bedienerin und stiess zum Beweis Gregors Leiche mit dem Besen noch ein grosses St"uck seitw"arts. Frau Samsa machte eine Bewegung, als wolle sie den Besen zur"uckhalten, tat es aber nicht. "Nun", sagte Herr Samsa, "jetzt k"onnen wir Gott danken. " Er bekreuzte sich, und die drei Frauen folgten seinem Beispiel. Grete, die kein Auge von der Leiche wendete, sagte: "Seht nur, wie mager er war. Er hat ja auch schon so lange Zeit nichts gegessen. So wie die Speisen hereinkamen, sind sie wieder hinausgekommen. " Tats"achlich war Gregors K"orper vollst"andig flach und trocken, man erkannte das eigentlich erst jetzt, da er nicht mehr von den Beinchen gehoben war und auch sonst nichts den Blick ablenkte.

"Komm, Grete, auf ein Weilchen zu uns herein", sagte Frau Samsa mit einem wehm"utigen L"acheln, und Grete ging, nicht ohne nach der Leiche zur"uckzusehen, hinter den Eltern in das Schlafzimmer. Die Bedienerin schloss die T"ur und "offnete g"anzlich das Fenster. Trotz des fr"uhen Morgens war der frischen Luft schon etwas Lauigkeit beigemischt. Es war eben schon Ende M"arz.

Aus ihrem Zimmer traten die drei Zimmerherren und sahen sich erstaunt nach ihrem Fr"uhst"uck um; man hatte sie vergessen. "Wo ist das Fr"uhst"uck?" fragte der mittlere der Herren m"urrisch die Bedienerin. Diese aber legte den Finger an den Mund und winkte dann hastig und schweigend den Herren zu, sie m"ochten in Gregors Zimmer kommen. Sie kamen auch und standen dann, die H"ande in den Taschen ihrer etwas abgen"utzten R"ockchen, in dem nun schon ganz hellen Zimmer um Gregors Leiche herum.

Da "offnete sich die T"ur des Schlafzimmers, und Herr Samsa erschien in seiner Livree an einem Arm seine Frau, am anderen seine Tochter. Alle waren ein wenig verweint; Grete dr"uckte bisweilen ihr Gesicht an den Arm des Vaters.

"Verlassen Sie sofort meine Wohnung!" sagte Herr Samsa und zeigte auf die T"ur, ohne die Frauen von sich zu lassen. "Wie meinen Sie das?" sagte der mittlere der Herren etwas best"urzt und l"achelte s"usslich. Die zwei anderen hielten die H"ande auf dem R"ucken und rieben sie ununterbrochen aneinander, wie in freudiger Erwartung eines grossen Streites, der aber f"ur sie g"unstig ausfallen musste. "Ich meine es genau so, wie ich es sage", antwortete Herr Samsa und ging in einer Linie mit seinen zwei Begleiterinnen auf den Zimmerherrn zu. Dieser stand zuerst still da und sah zu Boden, als ob sich die Dinge in seinem Kopf zu einer neuen Ordnung zusammenstellten. "Dann gehen wir also", sagte er dann und sah zu Herrn Samsa auf, als verlange er in einer pl"otzlich ihn "uberkommenden Demut sogar f"ur diesen Entschluss eine neue Genehmigung. Herr Samsa nickte ihm bloss mehrmals kurz mit grossen Augen zu. Daraufhin ging der Herr tats"achlich sofort mit langen Schritten ins Vorzimmer; seine beiden Freunde hatten schon ein Weilchen lang mit ganz ruhigen H"anden aufgehorcht und h"upften ihm jetzt geradezu nach, wie in Angst, Herr Samsa k"onnte vor ihnen ins Vorzimmer eintreten und die Verbindung mit ihrem F"uhrer st"oren. Im Vorzimmer nahmen alle drei die H"ute vom Kleiderrechen, zogen ihre St"ocke aus dem Stockbeh"alter, verbeugten sich stumm und verliessen die Wohnung. In einem, wie sich zeigte, g"anzlich unbegr"undeten Misstrauen trat Herr Samsa mit den zwei Frauen auf den Vorplatz hinaus; an das Gel"ander gelehnt, sahen sie zu, wie die drei Herren zwar langsam, aber st"andig die lange Treppe hinunterstiegen, in jedem Stockwerk in einer bestimmten Biegung des Treppenhauses verschwanden und nach ein paar Augenblicken wieder hervorkamen; je tiefer sie gelangten, desto mehr verlor sich das Interesse der Familie Samsa f"ur sie, und als ihnen entgegen und dann hoch "uber sie hinweg ein Fleischergeselle mit der Trage auf dem Kopf in stolzer Haltung heraufstieg, verliess bald Herr Samsa mit den Frauen das Gel"ander, und alle kehrten, wie erleichtert, in ihre Wohnung zur"uck.

Sie beschlossen, den heutigen Tag zum Ausruhen und Spazierengehen zu verwenden; sie hatten diese Arbeitsunterbrechung nicht nur verdient, sie brauchten sie sogar unbedingt. Und so setzten sie sich zum Tisch und schrieben drei Entschuldigungsbriefe, Herr Samsa an seine Direktion, Frau Samsa an ihren Auftraggeber, und Grete an ihren Prinzipal. W"ahrend des Schreibens kam die Bedienerin herein, um zu sagen, dass sie fortgehe, denn ihre Morgenarbeit war beendet. Die drei Schreibenden nickten zuerst bloss, ohne aufzuschauen, erst als die Bedienerin sich immer noch nicht entfernen wollte, sah man "argerlich auf. "Nun?" fragte Herr Samsa. Die Bedienerin stand l"achelnd in der T"ur, als habe sie der Familie ein grosses Gl"uck zu melden, werde es aber nur dann tun, wenn sie gr"undlich ausgefragt werde. Die fast aufrechte kleine Straussfeder auf ihrem Hut, "uber die sich Herr Samsa schon w"ahrend ihrer ganzen Dienstzeit "argerte, schwankte leicht nach allen Richtungen. "Also was wollen Sie eigentlich?" fragte Frau Samsa, vor welcher die Bedienerin noch am meisten Respekt hatte. "Ja", antwortete die Bedienerin und konnte vor freundlichem Lachen nicht gleich weiter reden, "also dar"uber, wie das Zeug von nebenan weggeschafft werden soll, m"ussen Sie sich keine Sorge machen. Es ist schon in Ordnung." Frau Samsa und Grete beugten sich zu ihren Briefen nieder, als wollten sie weiterschreiben; Herr Samsa, welcher merkte, dass die Bedienerin nun alles ausf"uhrlich zu beschreiben anfangen wollte, wehrte dies mit ausgestreckter Hand entschieden ab. Da sie aber nicht erz"ahlen durfte, erinnerte sie sich an die grosse Eile, die sie hatte, rief offenbar beleidigt: "Adjes allseits", drehte sich wild um und verliess unter f"urchterlichem T"urezuschlagen die Wohnung.

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