Россия и Запад
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Brjusov betont im Vorwort der Anthologie die lange Verbundenheit des Schicksals Armeniens mit dem Russlands, hebt aber zugleich dessen kulturelle Eigenleistung hervor, die er besonders in der Literatur verk"orpert sieht, «та исключительно богатая литература, которая составляет драгоценный вклад Армении в общую сокровищницу человечества» [249] .
In dem einleitenden umfangreichen Aufsatz mit dem Titel «Po"ezija Armenii i ee edinstvo na protjazenie vekov (Istoriko-literaturnyj ocerk)» entfaltet er ein kompaktes Bild der Geschichte der armenischen Literatur in ihren soziokulturellen Kontexten. Beschrieben werden die vielf"altigen und wechselvollen kulturellen Einfl"usse, die die armenische Kultur gepr"agt und die zur Einzigartigkeit ihrer Poesie gef"uhrt haben. Die Ausgangsthese, die das Konzept der gesamten Auswahl bestimmt, lautet:
249
Поэзия Армении с древнейших времён до наших дней / Под ред., со вступ. очерком и прим. Валерия Брюсова. (Reprint: Ереван: Айастан, 1966). S. 10 (Im Weiteren
Две силы, два противоположных начала, скрещиваясь, переплетаясь и сливаясь в нечто целое, единое, направляли жизнь Армении и создавали характер её народа на протяжении тысячелетий: начало Запада и начало Востока, дух Европы и дух Азии. Поставленная на рубеже двух миров, постоянно являвшаяся ареной для столкновения народов, вовлекаемая ходом событий в величайшие исторические перевороты, Армения самой судьбой была предназначена служить примирительницей двух различных культур: той, на основе которой вырос весь христианский Запад, и той, которая в наши дни представлена мусульманским Востоком. «Армения — авангард Европы в Азии», эта, давно предложенная, формула правильно определяет положение армянского народа в нашем мире.
Daraus leite sich die kulturelle Mission Armeniens ab:
Историческая миссия армянского народа, подсказанная всем ходом его развития, — искать и обрести синтез Востока и Запада. И это стремление всего полнее выразилось в художественном творчестве Армении, в её литературе, в её поэзии [250] .
Brjusov h"alt die Bekanntschaft mit der armenischen Poesie f"ur jeden gebildeten Menschen f"ur unabdingbar. Er reiht sie ein in das Pantheon der Weltkultur:
250
Поэзия Армении. S. 27.
В этом пантеоне мирно стоят рядом творения гения французского и гения немецкого; поэмы индусских поэтов или японские танки со стихами классиков Эллады и Рима; песни первобытных скандинавов, грозная Едда, песнь о Нибелунгах с утончёнными строфами Китса, с загадочными балладами Едгара По [251] …
Brjusov blieb in Armenien auch w"ahrend der sowjetischen "Ara eine hoch gesch"atzte und verehrte Pers"onlichkeit, seine Armenien-Anthologie erfuhr mehrere Publikationen [252] . Dennoch wird sein Ansatz, die Wirkungskraft der armenischen Poesie aus dem Zusammenspiel der vielf"altigsten kulturellen Einfl"usse zu erkl"aren, von mehreren Kommentatoren der sowjetischen Publikationen seiner Anthologie getadelt, da sie damit ihres eigenst"andigen Charakters beraubt w"urde [253] . In dem Syntheseansatz Bijusovs wird (zweifellos zu Recht!) ein "Uberbleibsel seiner symbolistischen Vergangenheit vermutet.
251
Ebenda S. 13.
252
Ausf"uhrlich dazu: Брюсов и Армения. Кн. 1. S. 26–28.
253
Vgl.: Ebenda S. 18–22.
Andrej Belyj kam erst nach der Revolution mit Armenien in Ber"uhrung.
Er reiste mit seiner zweiten Frau K. N. Bugaeva drei Mai in den Kaukasus. Die erste Reise f"uhrte ihn von April bis Juli 1927 nach Batumi und Tbilisi, eine zweite im Mai bis August 1928 emeut nach Georgien, von wo aus er Ende Mai eine einw"ochentliche Stippvisite nach Armenien untemahm. Im Fr"uhjahr und Sommer 1929 weilte er nochmals in Armenien [254] .
254
Vgl. ausf"uhrlich dazu: Sippl C. Reisetexte der russischen Moderne. Andrej Belyj und Osip Mandel’stam im Kaukasus. M"unchen: Otto Sagner, 1997. S. 117–118 (Im Weiteren «Sippl»).
Die Reisen in den Kaukasus boten den Ausbruch aus der Isolation, in die Belyj nach seiner R"uckkehr aus Deutschland geraten war. Die Begegnung mit der sozialen und literarischen Gegenwart gestaltete sich «mild», derm in Georgien war der ideologische Druck nicht so stark sp"urbar wie in den sowjetischen Metropolen. Belyj fand begeisterte Aufnahme bei den georgischen K"unstlem, die sich seines fr"uheren Ruhmes erinnerten und ihn als Klassiker feierten, ihn zu Vortr"agen einluden und ihm damit jenen Respekt erwiesen, den er in Moskau und Petersburg schmerzlich vermisste [255] .
255
Vgl. dazu das Vorwort zum Band: Андрей Белый и Иванов-Разумник. Переписка / Публ., вступ. ст. и коммент. А. В. Лаврова и Дж. Малмстада. СПб.: Atheneum; Феникс, 1998 (insbesondere S. 9).
Die Eindr"ucke der ersten Reise verarbeitete er in einem Tagebuch, das er 1928 unter dem Titel «Veter s Kavkaza» publizierte. Mit Belyjs zweiter Kaukasusreise war dann schon ein kulturpolitischer Auftrag verbunden, n"amlich die Umgestaltung des nunmehr sowjetischen Armeniens zu dokumentieren. Der Bericht folgte einem Programm, das drei Punkte organisch verbinden sollte:
Мне интересны: природа, строительство новой Армении, даже развалины многостолетние [256] .
256
Sippl С. Reisetexte der russischen Moderne. S. 140.
Der Text besteht aus acht Kapiteln, die im wesentlichen die Reiseroute wiedergeben [257] : Mit den Ortsbezeichnungen sind Akzentsetzungen verbunden: Ecmiadzin, die alte Hauptstadt, steht f"ur Kultur, Ajger-Lic (etwa 15 km von Erevan entfemt) f"ur die neue Zeit, das Wasserkraftwerk.
Anders als das Georgienbuch, das ungeordnet Impressionen zur Natur, den Sehensw"urdigkeiten und Begegnungen mit K"unstlern und Intellektueilen russischer und georgischer Provinienz in Tagebuchform einf"angt, herrscht im Armenienbericht verdichtete Symbolik. St"arker als die Reise nach Georgien wurde, wie Carmen Sippl treffend feststellt, der Aufenthalt in Armenien vom Autor explizit als Begegnung mit dem Fremden, als «Sich Entfemen von Europa, als Ann"aherung an Asien» dargestellt [258] . Doch geht es dabei nicht um die Abgrenzung vom Eigenen, Zivilisatorischen, sondern eher im Gegenteil, wird, "ahnlich wie bei Brjusov, dessen Armenien-Texte er kannte, «die Herkunft Armeniens aus den wechselvollen alten Kulturen, der persischen, somerischen, assyrischen, babylonischen, die Ankunft griechischer Krieger, als Urszene der Menschheitskultur, als Urbild steingewordener Geschichte, augenf"Allig gemacht» [259] .
257
Die Stationen sind ausf"uhrlich beschrieben in: Sippl C. Reisetexte der russischen Moderne. S. 119.
258
Sippl C. Reisetexte der russischen Moderne. S. 140–141.
259
Sippl C. Reisetexte der russischen Moderne. S. 141.
Belyj formt sein Armenien-Bild stets aus dem Zusammenspiel von Natur, Kultur und Physiognomie der Bewohner:
Земля — с древним запахом: в чобры и мяты влиты испарения староармянской и староперсидской культур (…); здесь жив Вавилон: поглядите на бритые профили, губы, носы ериванцев, представьте к ним длинные клины бород завитых, — вы узнаете фрески (…)… профиль армянский — вполне вавилонский (…) Здесь «аирик» (или батюшка) более напоминает жреца вавилонского, вышедшего из Ваалова капища, — не христианского. (…) Впаяны древности в почву; и камни природные — передряхрели скульптуру; и статуи, треснувши, в землю уйдя, поднимают кусты; не поймёшь, что ты видишь: природу ль, культуру ль? [260]
260
Гончар H. Путевая проза Андрея Белого и его очерк «Армения» // Белый Андрей. Армения. Второе дополненное издание. Ереван: Наири, 1997. S. 40–41 (Im Weiteren: «Гончар»); vgl. auch Sippl С. Reisetexte der russischen Moderne. S. 141.
Grossen Raum nehmen die Erinnerungen an die Verheerungen ein, die Armenien als Spielball zwischen den Grossm"achten Persien und T"urkei erlitten hat; der russischen Eroberung Erivans [261] durch General Paskevic hingegen wird nur knapp die Reverenz erwiesen. Die Verbindung zu Russland wird nicht auf der Ebene der Kultur, sondern der milit"arischen Eroberung hergestellt [262] .
Nicht die Gemeinsamkeiten zwischen Russland und Armenien, die Brjusov dem Russland angegliederten nordostlichen Zweig der armenischen Kultur konzediert, bilden also den Fokusvon Belyjs Wahrnehmung, sondern die Erinnerung an die kulturelle Vergangenheit Armeniens. In E`emiadzin mit seiner Kathedrale, deren Ausmasse ihn an die Kathedrale in Cambridge erinnem und in dem Museum, wo ihm dergelehrte Bibliothekar Senekerim Ter-Akopjan die uralten kostbar ausgef"uhrten Handschriften zeigt, wird ihm das Zusammenspiel heidnischer, jud"aischer und christlicher Elemente f"ur die Formierung derarmenischen Kultur deutlich vor Augen gef"uhrt [263] . Neben Ter-Akopojan wird aberauch der Ingenieur Sirmazanjan genannt, der Erbauer des Staudamms in Ajger-Lic [264] , des Weiteren ein Kapit"an auf dem Sevan-See sowie der Maler Saijan, Belyjs Begleiter [265] . Belyj entledigt sich hier seines sozialen Auftrags.
261
Belyj verwendet die alte Schreibweise Ереван, die 1936 durch Ереван ersetzt wurde.
262
Гончар. S. 22–23.
263
Ebenda S. 47–49.
264
Ebenda S. 56–57.
265
Ebenda S. 31.