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1904-1924 Маленькие рассказы (Сборник)
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2. DIE BR"UCKE

Ich war steif und kalt, ich war eine Br"ucke, "uber einem Abgrund lag ich, diesseits waren die Fussspitzen, jenseits die H"ande eingebohrt, in br"ockelndem Lehm hatte ich mich festgebissen. Die Sch"osse meines Rockes wehten zu meinen Seiten. In der Tiefe l"armte der eisige Forellenbach. Kein Tourist verirrte sich zu dieser unwegsamen H"ohe, die Br"ucke war in den Karten noch nicht eingezeichnet. So lag ich und wartete; ich musste warten; ohne abzust"urzen kann keine einmal errichtete Br"ucke aufh"oren Br"ucke zu sein. Einmal gegen Abend, war es der erste, war es der tausendste, ich weiss nicht, meine Gedanken giengen immer in einem Wirrwarr, und immer immer in der Runde-gegen Abend im Sommer, dunkler rauschte der Bach, h"orte ich einen Mannesschritt. Zu mir, zu mir. Strecke Dich Br"ucke, setze Dich in Stand, gel"andloser Balken, halte den Dir Anvertrauten, die Unsicherheiten seines Schrittes gleiche unmerklich aus, schwankt er aber, dann gib Dich zu erkennen und wie ein Berggott schleudere ihn ans Land. Er kam, mit der Eisenspitze seines Stockes beklopfte er mich, dann hob er mit ihr meine Rocksch"osse und ordnete sie auf mir, in mein buschiges Haar fuhr er mit der Spitze und liess sie, wahrscheinlich weit umherblickend, lange drin liegen. Dann aber-gerade tr"aumte ich ihm "uber Berg und Tal-sprang er mit beiden F"ussen mir mitten auf den Leib. Ich erschauerte in wildem Schmerz, g"anzlich unwissend. Wer war es? Ein Kind? Ein Turner? Ein Waghalsiger? Ein Selbstm"order? Ein Versucher? Ein Vernichter? Und ich drehte mich um, ihn zu sehen. Br"ucke dreht sich um! Ich war noch nicht umgedreht, da st"urzte ich schon, ich st"urzte und war schon zerrissen und aufgespiesst von den zugespitzten Kieseln, die mich so friedlich immer angestarrt hatten aus dem rasenden Wasser.

3. DER SCHLAG ANS HOFTOR

Es war im Sommer, ein heisser Tag. Ich kam auf dem Nachhauseweg mit meiner Schwester an einem Hoftor vor"uber. Ich weiss nicht, schlug sie aus Mutwillen ans Tor oder aus Zerstreutheit oder drohte sie nur mit der Faust und schlug gar nicht. Hundert Schritte weiter an der nach links sich wendenden Landstrasse begann das Dorf. Wir kannten es nicht, aber gleich nach dem ersten Haus kamen Leute hervor und winkten uns, freundschaftlich oder warnend, selbst erschrocken, geb"uckt vor Schrecken. Sie zeigten nach dem Hof, an dem wir vor"ubergekommen waren, und erinnerten uns an den Schlag ans Tor. Die Hofbesitzer werden uns verklagen, gleich werde die Untersuchung beginnen. Ich war sehr ruhig und beruhigte auch meine Schwester. Sie hatte den Schlag wahrscheinlich gar nicht getan, und h"atte sie ihn getan, so wird deswegen nirgends auf der Welt ein Beweis gef"uhrt. Ich suchte das auch den Leuten um uns begreiflich zu machen, sie h"orten mich an, enthielten sich aber eines Urteils. Sp"ater sagten sie, nicht nur meine Schwester, auch ich als Bruder werde angeklagt werden. Ich nickte l"achelnd. Alle blickten wir zum Hofe zur"uck, wie man eine ferne Rauchwolke beobachtet und auf die Flamme wartet. Und wirklich, bald sahen wir Reiter ins weit offene Hoftor einreiten. Staub erhob sich, verh"ullte alles, nur die Spitzen der hohen Lanzen blinkten. Und kaum war die Truppe im Hof verschwunden, schien sie gleich die Pferde gewendet zu haben und war auf dem Wege zu uns. Ich dr"angte meine Schwester fort, ich werde alles allein ins Reine bringen. Sie weigerte sich, mich allein zu lassen. Ich sagte, sie solle sich aber wenigstens umkleiden, um in einem besseren Kleid vor die Herren zu treten. Endlich folgte sie und machte sich auf den langen Weg nach Hause. Schon waren die Reiter bei uns, noch von den Pferden herab fragten sie nach meiner Schwester. Sie ist augenblicklich nicht hier, wurde "angstlich geantwortet, werde aber sp"ater kommen. Die Antwort wurde fast gleichg"ultig aufgenommen; wichtig schien vor allem, dass sie mich gefunden hatten. Es waren haupts"achlich zwei Herren, der Richter, ein junger, lebhafter Mann, und sein stiller Gehilfe, der Assmann genannt wurde. Ich wurde aufgefordert in die Bauernstube einzutreten. Langsam, den Kopf wiegend, an den Hosentr"agern r"uckend, setzte ich mich unter den scharfen Blicken der Herren in Gang. Noch glaubte ich fast, ein Wort werde gen"ugen, um mich, den St"adter, sogar noch unter Ehren, aus diesem Bauernvolk zu befreien. Aber als ich die Schwelle der Stube "uberschritten hatte, sagte der Richter, der vorgesprungen war und mich schon erwartete:

»Dieser Mann tut mir leid.« Es war aber "uber allem Zweifel, dass er damit nicht meinen gegenw"artigen Zustand meinte, sondern das, was mit mir geschehen w"urde. Die Stube sah einer Gef"angniszelle "ahnlicher als einer Bauernstube. Grosse Steinfliesen, dunkel, ganz kahle Wand, irgendwo eingemauert ein eiserner Ring, in der Mitte etwas, das halb Pritsche, halb Operationstisch war.

K"onnte ich noch andere Luft schmecken als die des Gef"angnisses? Das ist die grosse Frage oder vielmehr, sie w"are es, wenn ich noch Aussicht auf Entlassung h"atte.

4. DER NACHBAR

Mein Gesch"aft ruht ganz auf meinen Schultern. Zwei Fr"aulein mit Schreibmaschinen und Gesch"aftsb"uchern im Vorzimmer, mein Zimmer mit Schreibtisch, Kasse, Beratungstisch, Klubsessel und Telephon, das ist mein ganzer Arbeitsapparat. So einfach zu "uberblicken, so leicht zu f"uhren. Ich bin ganz jung und die Gesch"afte rollen vor mir her. Ich klage nicht, ich klage nicht.

Seit Neujahr hat ein junger Mann die kleine, leerstehende Nebenwohnung, die ich ungeschickterweise so lange zu mieten gez"ogert habe, frischweg gemietet. Auch ein Zimmer mit Vorzimmer, ausserdem aber noch eine K"uche. – Zimmer und Vorzimmer h"atte ich wohl brauchen k"onnen – meine zwei Fr"aulein f"uhlten sich schon manchmal "uberlastet -, aber wozu h"atte mir die K"uche gedient? Dieses kleinliche Bedenken war daran schuld, dass ich mir die Wohnung habe nehmen lassen. Nun sitzt dort dieser junge Mann. Harras heisst er. Was er dort eigentlich macht, weiss ich nicht. Auf der T"ur steht: ›Harras, Bureau‹. Ich habe Erkundigungen eingezogen, man hat mir mitgeteilt, es sei ein Gesch"aft "ahnlich dem meinigen. Vor Kreditgew"ahrung k"onne man nicht geradezu warnen, denn es handle sich doch um einen jungen, aufstrebenden Mann, dessen Sache vielleicht Zukunft habe, doch k"onne man zum Kredit nicht geradezu raten, denn gegenw"artig sei allem Anschein nach kein Verm"ogen vorhanden. Die "ubliche Auskunft, die man gibt, wenn man nichts weiss.

Manchmal treffe ich Harras auf der Treppe, er muss es immer ausserordentlich eilig haben, er huscht formlich an mir vor"uber. Genau gesehen habe ich ihn noch gar nicht, den B"uroschl"ussel hat er schon vorbereitet in der Hand. Im Augenblick hat er die T"ur ge"offnet. Wie der Schwanz einer Ratte ist er hineingeglitten und ich stehe wieder vor der Tafel 'Harras, Bureau', die ich schon viel "ofter gelesen habe, als sie es verdient.

Die elend d"unnen W"ande, die den ehrlich t"atigen Mann verraten den Unehrlichen aber decken. Mein Telephon ist an der Zimmerwand angebracht, die mich von meinem Nachbar trennt. Doch hebe ich das bloss als besonders ironische Tatsache hervor.

Selbst wenn es an der entgegengesetzten Wand hinge, w"urde man in der Nebenwohnung alles h"oren. Ich habe mir abgew"ohnt, den Namen der Kunden beim Telephon zu nennen. Aber es geh"ort nat"urlich nicht viel Schlauheit dazu, aus charakteristischen, aber unvermeidlichen Wendungen des Gespr"achs die Namen zu erraten. – Manchmal umtanze ich, die H"ormuschel am Ohr, von Unruhe gestachelt, auf den Fussspitzen den Apparat und kann es doch nicht verh"uten, dass Geheimnisse preisgegeben werden.

Nat"urlich werden dadurch meine gesch"aftlichen Entscheidungen unsicher, meine Stimme zittrig. Was macht Harras, w"ahrend ich telephoniere? Wollte ich sehr "ubertreiben – aber das muss man oft, um sich Klarheit zu verschaffen -, so k"onnte ich sagen: Harras braucht kein Telephon, er benutzt meines, er hat sein Kanapee an die Wand ger"uckt und horcht, ich dagegen muss, wenn gel"autet wird, zum Telephon laufen, die W"unsche des Kunden entgegennehmen, schwerwiegende Entschl"usse fassen, grossangelegte "Uberredungen ausf"uhren – vor allem aber w"ahrend des Ganzen unwillk"urlich durch die Zimmerwand Harras Bericht erstatten.

Vielleicht wartet er gar nicht das Ende des Gespr"aches ab, sondern erhebt sich nach der Gespr"achsstelle, die ihn "uber den Fall gen"ugend aufgekl"art hat, huscht nach seiner Gewohnheit durch die Stadt und, ehe ich die H"ormuschel aufgeh"angt habe, ist er vielleicht schon daran, mir entgegenzuarbeiten.

5. EINE KREUZUNG

Ich habe ein eigent"umliches Tier, halb K"atzchen, halb Lamm. Es ist ein Erbst"uck aus meines Vaters Besitz. Entwickelt hat es sich aber doch erst in meiner Zeit, fr"uher war es viel mehr Lamm als K"atzchen. Jetzt aber hat es von beiden wohl gleich viel. Von der Katze Kopf und Krallen, vom Lamm Gr"osse und Gestalt; von beiden die Augen, die flackernd und wild sind, das Fellhaar, das weich ist und knapp anliegt, die Bewegungen, die sowohl H"upfen als Schleichen sind. Im Sonnenschein auf dem Fensterbrett macht es sich rund und schnurrt, auf der Wiese l"auft es wie toll und ist kaum einzufangen. Vor Katzen flieht es, L"ammer will es anfallen. In der Mondnacht ist die Dachtraufe sein liebster Weg: Miauen kann es nicht und vor Ratten hat es Abscheu. Neben dem H"uhnerstall kann es stundenlang auf der Lauer liegen, doch hat es noch niemals eine Mordgelegenheit ausgenutzt.

Ich n"ahre es mit s"usser Milch, sie bekommt ihm bestens. In langen Z"ugen saugte es sie "uber seine Raubtierz"ahne hinweg in sich ein. Nat"urlich ist es ein grosses Schauspiel f"ur Kinder. Sonntag Vormittag ist Besuchstunde. Ich habe das Tierchen auf dem Schoss und die Kinder der ganzen Nachbarschaft stehen um mich herum.

Da werden die wunderbarsten Fragen gestellt, die kein Mensch beantworten kann: Warum es nur ein solches Tier gibt, warum gerade ich es habe, ob es vor ihm schon ein solches Tier gegeben hat und wie es nach seinem Tode sein wird, ob es sich einsam f"uhlt, warum es keine Jungen hat, wie es heisst und so weiter.

Ich gebe mir keine M"uhe zu antworten, sondern begn"uge mich ohne weitere Erkl"arungen damit, das zu zeigen, was ich habe. Manchmal bringen die Kinder Katzen mit, einmal haben sie sogar zwei L"ammer gebracht. Es kam aber entgegen ihren Erwartungen zu keinen Erkennungsszenen. Die Tiere sahen einander ruhig aus Tieraugen an und nahmen offenbar ihr Dasein als g"ottliche Tatsache gegenseitig hin.

In meinem Schoss kennt das Tier weder Angst noch Verfolgungslust. An mich angeschmiegt, f"uhlt es sich am wohlsten. Es h"alt zur Familie, die es aufgezogen hat. Es ist das wohl nicht irgendeine aussergew"ohnliche Treue, sondern der richtige Instinkt eines Tieres, das auf der Erde zwar unz"ahlige Verschw"agerte, aber vielleicht keinen einzigen Blutsverwandten hat und dem deshalb der Schutz, den es bei uns gefunden hat, heilig ist.

Manchmal muss ich lachen, wenn es mich umschnuppert, zwischen den Beinen sich durchwindet und gar nicht von mir zu trennen ist. Nicht genug damit, dass es Lamm und Katze ist, will es fast auch noch ein Hund sein. – Einmal als ich, wie es ja jedem geschehen kann, in meinen Gesch"aften und allem, was damit zusammenh"angt, keinen Ausweg mehr finden konnte, alles verfallen lassen wollte und in solcher Verfassung zu Hause im Schaukelstuhl lag, das Tier auf dem Schoss, da tropften, als ich zuf"allig einmal hinuntersah, von seinen riesenhaften Barthaaren Tr"anen. – Waren es meine, waren es seine? – Hatte diese Katze mit Lammesseele auch Menschenehrgeiz? – Ich habe nicht viel von meinem Vater geerbt, dieses Erbst"uck aber kann sich sehen lassen.

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