Немецкий с любовью. Новеллы / Novellen
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Wir staunten abermals. Es war, als ob er die Z"uge aus einem gedruckten Buch ablesen w"urde. Immerhin wirkte die unvermutete Chance, dank seines Eingreifens unsere Partie gegen einen Weltmeister auf Remis zu bringen, zauberisch.
Noch einmal fragte McConnor: „Also K"onig g auf h?“
„Jawohl! Ausweichen vor allem!“ McConnor gehorchte, und wir klopften an das Glas. Czentovic trat mit seinem an unseren Tisch und zog auf dem K"onigsfl"ugel den Bauern h – h, genau wie es unser unbekannter Helfer vorausgesagt. Und schon fl"usterte dieser aufgeregt: „Turm vor, Turm vor, c auf c, er muss dann zuerst den Bauern decken. Aber das wird ihm nichts helfen! Sie schlagen, ohne sich um seinen Freibauern zu k"ummern, mit dem Springer c – d, und das Gleichgewicht ist wieder hergestellt. Den ganzen Druck vorw"arts [334] , statt zu verteidigen!“
334
druck vorw"arts –
Wir verstanden nicht, was er meinte. F"ur uns war, was er sagte, Chinesisch. Aber schon einmal in seinem Bann, zog McConnor, ohne zu "uberlegen, wie jener geboten. Wir schlugen abermals an das Glas, um Czentovic zur"uckzurufen. Zum erstenmal entschied er sich nicht rasch, sondern blickte gespannt auf das Brett. Dann tat er genau den Zug, den der Fremde uns angek"undigt, und wandte sich zum Gehen. Jedoch ehe er zur"ucktrat, geschah etwas Neues und Unerwartetes.
Czentovic hob den Blick und musterte unsere Reihen. Offenbar wollte er herausfinden, wer ihm mit einem mal so energischen Widerstand leistete. Von diesem Augenblick an wuchs unsere Erregung ins Ungemessene. Bisher hatten wir ohne ernstliche Hoffnung gespielt, nun aber trieb der Gedanke, den kalten Hochmut Czentovics zu brechen.
Und nun kam unser erster Triumph. Czentovic, der bisher immer nur im Stehen gespielt, z"ogerte, z"ogerte und setzte sich schliesslich nieder. Er setzte sich langsam und schwerf"allig. Czentovic "uberlegte einige Minuten, dann tat er einen Zug und stand auf. Und schon fl"usterte unser Freund: „Gut gedacht! Aber nicht darauf eingehen! Abtausch forcieren, unbedingt Abtausch, dann kommen wir auf Remis, und kein Gott kann ihm helfen.“
McConnor gehorchte. Es begann in den n"achsten Z"ugen zwischen den beiden – wir anderen waren l"angst zu leeren Statisten herabgesunken – ein uns unverst"andliches Hin und Her. Nach etwa sieben Z"ugen sah Czentovic nach l"angerem Nachdenken auf und erkl"arte: „Remis.“
Einen Augenblick herrschte totale Stille. Keiner von uns atmete, es war zu pl"otzlich gekommen und wir alle noch geradezu erschrocken "uber das Unwahrscheinliche, dass dieser Unbekannte dem Weltmeister in einer schon halb verlorenen Partie seinen Willen aufgezwungen haben sollte.
Ich beobachtete Czentovic. Er verharrte in seiner scheinbar gleichm"utigen Starre und fragte nur in l"assiger Weise, w"ahrend er die Figuren mit ruhiger Hand vom Brette schob: „W"unschen die Herren noch eine dritte Partie?“
Er stellte die Frage rein sachlich, rein gesch"aftlich. Aber das Merkw"urdige war, er hatte dabei nicht McConnor angeblickt, sondern scharf und gerade das Auge gegen unseren Retter erhoben. McConnor hat ihm triumphierend zugerufen: „Selbstverst"andlich! Aber jetzt m"ussen Sie allein gegen ihn spielen! Sie allein gegen Czentovic!“
Doch nun ereignete sich etwas Unvorhergesehenes. Der Fremde schrak auf.
„Auf keinen Fall, meine Herren“, stammelte er sichtlich betroffen. „Das ist v"ollig ausgeschlossen… ich komme gar nicht in Betracht… ich habe seit zwanzig, nein, f"unfundzwanzig Jahren vor keinem Schachbrett gesessen… und ich sehe erst jetzt, wie ungeh"orig ich mich betragen [335] habe, indem ich mich ohne Ihre Verstattung in Ihr Spiel einmengte… Bitte, entschuldigen Sie meine Vordringlichkeit… ich will gewiss nicht weiter st"oren.“
335
ungeh"orig betragen – невежливо поступить
„Aber das ist doch ganz unm"oglich!“ dr"ohnte der temperamentvolle McConnor. „V"ollig ausgeschlossen, dass dieser Mann f"unfundzwanzig Jahre nicht Schach gespielt haben soll! Er hat doch jeden Zug, jede Gegenpointe auf f"unf, auf sechs Z"uge vorausberechnet. So etwas kann niemand aus dem Handgelenk [336] . Das ist doch v"ollig ausgeschlossen – nicht wahr?“
Mit der letzten Frage hatte sich McConnor unwillk"urlich an Czentovic gewandt. Aber der Weltmeister blieb unersch"utterlich k"uhl. „Ich vermag dar"uber kein Urteil abzugeben. Jedenfalls hat der Herr interessant gespielt; deshalb habe ich ihm auch absichtlich eine Chance gelassen. “ Gleichzeitig l"assig aufstehend, f"ugte er in seiner sachlichen Art hinzu: „Sollte der Herr oder die Herren morgen eine abermalige Partie w"unschen, so stehe ich von drei Uhr ab zur Verf"ugung.“
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Handgelenk, n –
Wir konnten ein leises L"acheln nicht unterdr"ucken. Jeder von uns wusste, dass Czentovic unserem unbekannten Helfer keineswegs grossm"utig eine Chance gelassen und diese Bemerkung nichts anderes als eine naive Ausflucht war, um sein eigenes Versagen zu maskieren. Mit einem Mal war "uber uns friedliche, ehrgeizige Kampflust gekommen, denn der Gedanke, dass gerade auf unserem Schiff mitten auf dem Ozean dem Schachmeister die Palme entrungen werden k"onnte, faszinierte uns in herausforderndster Weise. Dazu kam noch der Reiz des Mysteri"osen, der von dem unerwarteten Eingreifen unseres Retters gerade im kritischen Moment ausging. Wer war dieser Unbekannte?
Wir beschlossen, alles zu versuchen, damit unser Helfer am n"achsten Tage eine Partie gegen Czentovic spiele. Da sich inzwischen durch Umfrage beim Steward herausgestellt hatte, dass der Unbekannte ein "Osterreicher sei, wurde mir als seinem Landsmann der Auftrag zugeteilt, ihm unsere Bitte zu unterbreiten.
Ich ben"otigte nicht lange, um auf dem Promenadendeck den so eilig Entfl"uchteten aufzufinden. Kaum ich auf ihn zutrat, erhob er sich h"oflich und stellte sich mit einem Namen vor, der mir sofort vertraut war als der einer hochangesehenen alt"osterreichischen Familie. Ich erinnerte mich, dass ein Tr"ager dieses Namens zu dem engsten Freundeskreise Schuberts geh"ort hatte und auch einer der Leib"arzte des alten Kaisers dieser Familie entstammte. Als ich Dr. B. unsere Bitte "ubermittelte, die
Herausforderung Czentovics anzunehmen, war er sichtlich verbl"ufft [337] . Es erwies sich, dass er keine Ahnung gehabt hatte, bei jener Partie einen Weltmeister, und gar den zurzeit erfolgreichsten, ruhmreich bestanden zu haben. Aus irgendeinem Grunde schien diese Mitteilung auf ihn besonderen Eindruck zu machen, denn er erkundigte sich immer und immer wieder von neuem, ob ich dessen gewiss sei, dass sein Gegner tats"achlich ein anerkannter Weltmeister gewesen. Ich merkte bald, dass dieser Umstand meinen Auftrag erleichterte. Nach l"angerem Z"ogern erkl"arte sich Dr. B. schliesslich zu einem Match bereit, doch nicht ohne ausdr"ucklich gebeten zu haben, die anderen Herren nochmals zu warnen, sie m"ochten keineswegs auf sein K"onnen "ubertriebene Hoffnungen setzen. „Denn“, f"ugte er mit einem versonnenen L"acheln hinzu, „ich weiss wahrhaftig nicht, ob ich f"ahig bin, eine Schachpartie nach allen Regeln richtig zu spielen. Bitte glauben Sie mir, dass es keineswegs falsche Bescheidenheit war, wenn ich sagte, dass ich seit meiner Gymnasialzeit, also seit mehr als zwanzig Jahren, keine Schachfigur mehr ber"uhrt habe. Und selbst zu jener Zeit galt ich bloss als Spieler ohne sonderliche Begabung.“
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verbl"uffen – озадачивать, ошеломлять
Er sagte dies in einer so nat"urlichen Weise, dass ich nicht den leisesten Zweifel an seiner Aufrichtigkeit hegen durfte. Dennoch konnte ich nicht umhin, meiner Verwunderung Ausdruck zu geben, wie genau er an jede einzelne Kombination der verschiedensten Meister sich erinnern k"onne; immerhin m"usse er sich doch wenigstens theoretisch mit Schach viel besch"aftigt haben. Dr. B. l"achelte abermals in jener merkw"urdig traumhaften Art.
„Viel besch"aftigt! – Weiss Gott, das kann man wohl sagen, dass ich mich mit Schach viel besch"aftigt habe. Aber das geschah unter ganz besonderen, ja v"ollig einmaligen Umst"anden. Es war dies eine ziemlich komplizierte Geschichte, und sie k"onnte allenfalls als kleiner Beitrag gelten zu unserer lieblichen grossen Zeit. Wenn Sie eine halbe Stunde Geduld haben…“