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Немецкий с любовью. Новеллы / Novellen

Перфилова Е. Д.

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„Verzeihen Sie… ich rede gleich so erregt… aber ich bin nicht betrunken… noch nicht betrunken… auch das kommt jetzt oft bei mir vor, ich gestehe es Ihnen ruhig ein, in dieser h"ollischen Einsamkeit… Bedenken Sie, ich habe sieben Jahre fast nur zwischen Eingeborenen [137] und Tieren gelebt… da verlernt man das ruhige Reden…. Aber warten Sie… ja, ich weiss schon… ich wollte Sie fragen, wollte Ihnen so einen Fall vorlegen, ob man die Pflicht habe zu helfen… so ganz engelhaft rein zu helfen, ob man… "Ubrigens ich f"urchte, es wird lang werden. Sind Sie wirklich nicht m"ude?“

137

Eingeborene, m, f – туземец

„Nein, durchaus nicht.“

„Also… ich m"ochte Ihnen einen Fall erz"ahlen. Nehmen Sie an, ein Arzt in einer… einer kleineren Stadt… oder eigentlich am Lande… ein Arzt, der… ein Arzt, der…“ Er stockte wieder. Dann riss er sich pl"otzlich den Sessel heran zu mir. „So geht es nicht. Ich muss Ihnen alles direkt erz"ahlen, von Anfang an, sonst verstehen Sie es nicht… Das, das l"asst sich nicht als Exempel, als Theorie entwickeln… ich muss Ihnen meinen Fall erz"ahlen. Da gibt es keine Scham, kein Verstecken… vor mir ziehen sich auch die Leute nackt aus und zeigen mir ihren Grind [138] , wenn man geholfen haben will, darf man nicht herumreden und nichts verschweigen… Also ich werde Ihnen keinen Fall erz"ahlen von einem sagenhaften [139] Arzt… ich ziehe mich nackt aus und sage: ich… das Sch"amen habe ich verlernt in dieser dreckigen Einsamkeit, in diesem verfluchten Land, das Mark [140] aus den Lenden saugt.“

138

Grind, n –

короста

139

sagenhaft – легендарный

140

Mark, n – мозг

Ich musste irgendeine Bewegung gemacht haben, denn er unterbrach sich.

„Ach, Sie protestieren… ich verstehe, Sie sind begeistert von Indien, von den Tempeln und den Palmenb"aumen, von der ganzen Romantik einer Zweimonatsreise. Ja, so sind sie zauberhaft, die Tropen, wenn man sie in der Eisenbahn, im Auto durchstreift: ich habe das auch nicht anders gef"uhlt, als ich zum ersten Mal her"uber kam vor sieben Jahren. Was tr"aumte ich da nicht alles, die Sprachen wollte ich lernen und die heiligen B"ucher im Urtext lesen, die Krankheiten studieren, wissenschaftlich arbeiten, die Psyche der Eingeborenen ergr"unden – so sagt man ja im europ"aischen Jargon – ein Missionar der Menschlichkeit, der Zivilisation werden. Aber in diesem unsichtbaren Glashaus dort geht einem die Kraft aus, das Fieber greift einem ans Mark, man wird schlapp und faul, wird weich, wie eine Qualle. Irgendwie ist man als Europ"aer von seinem wahren Wesen abgeschnitten, wenn man aus den grossen St"adten weg in so eine verfluchte Sumpfstation [141] kommt.

141

Sumpfstation, f – болотистая дыра

Man sehnt sich nach Europa, tr"aumt davon, wieder einen Tag auf einer Strasse zu gehen, in einem hellen steinernen Zimmer unter weissen Menschen zu sitzen, Jahr um Jahr tr"aumt man davon, und kommt dann die Zeit, wo man Urlaub h"atte, so ist man schon zu tr"age [142] , um zu gehen. So bleibt man in diesen heissen, nassen W"aldern. Es war ein verfluchter Tag, an dem ich mich in dieses Drecknest verkauft habe…

"Ubrigens: ganz so freiwillig war das ja auch nicht. Ich hatte in Deutschland studiert, war rechte Mediziner geworden, ein guter Arzt sogar, mit einer Anstellung an der Leipziger Klinik; irgendwo in einem verschollenen Jahrgang der Medizinischen Bl"atter haben sie damals viel Aufhebens gemacht von einer neuen Injektion, die ich als erster praktiziert hatte. Da kam eine Weibergeschichte, eine Person, die ich im Krankenhaus kennen lernte: sie hatte ihren Geliebten so toll gemacht, dass er sie mit dem Revolver anschoss, und bald war ich ebenso toll wie er. Sie hatte eine Art, hochm"utig und kalt zu sein, die mich rasend [143] machte – mich hatten immer schon Frauen in der Faust [144] , die herrisch und frech waren, aber diese bog mich zusammen, dass mir die Knochen brachen. Ich tat, was sie wollte, ich – nun, warum soll ich nicht sagen, es sind acht Jahre her – ich tat f"ur sie einen Griff in die Spitalskasse, und als die Sache aufflog, war der Teufel los [145] . Ein Onkel deckte noch den Abgang, aber mit der Karriere war es vorbei. Damals h"orte ich gerade, die holl"andische Regierung werbe [146] "Arzte an f"ur die Kolonien und biete ein Handgeld. Nun, ich dachte gleich, es m"usste ein sauberes Ding sein, f"ur das man Handgeld biete, ich wusste, dass die Grabkreuze auf diesen Fieberplantagen dreimal so schnell wachsen als bei uns, aber wenn man jung ist, glaubt man, das Fieber und der Tod springt immer nur auf die andern. Nun, ich hatte da nicht viel Wahl, ich fuhr nach Rotterdam, verschrieb mich auf zehn Jahre, bekam ein ganz nettes B"undel Banknoten, die H"alfte schickte ich nach Hause an den Onkel, die andere H"alfte jagte mir eine Person dort im Hafenviertel [147] ab, die alles von mir herauskriegte, nur weil sie, die verfluchte Katze, so "ahnlich war. Ohne Geld, ohne Uhr, ohne Illusionen bin ich dann abgesegelt von Europa und war nicht sonderlich traurig, als wir aus dem Hafen steuerten. Und dann sass ich so auf Deck wie Sie, wie alle sassen, und sah das S"udkreuz und die Palmen, das Herz ging mir auf-ah, W"alder, Einsamkeit, Stille, tr"aumte ich! Nun – an Einsamkeit bekam ich gerade genug. Man setzte mich nicht nach Batavia oder Surabaya, in eine Stadt, wo es Menschen gibt und Klubs und Golf und B"ucher und Zeitungen, sondern – nun, der Name tut ja nichts zur Sache – in irgendeine der Distriktstationen, zwei Tagereisen von der n"achsten Stadt. Ein paar langweilige Beamte, ein paar Halfcast [148] , das war meine ganze Gesellschaft, sonst weit und breit nur Wald, Plantagen, Dickicht [149] und Sumpf [150] .

142

tr"ageленивый

143

rasend – бешеный

144

Faust, f – кулак

145

Der Teufel war los – разыгрался скандал

146

werbe – набирать

147

Hafenviertel, n – портовый район

148

Halfcast (англ.) – метис

149

Dickicht, n –

заросли

150

Sumpf, m – болота

Im Anfang war es noch ertr"aglich. Ich trieb allerhand [151] Studien; einmal, als der Vizeresident auf der Inspektionsreise mit dem Automobil umgeworfen und sich ein Bein zerschmettert hatte, machte ich ohne Gehilfen eine Operation, "uber die viel geredet wurde. Ich sammelte Gifte und Waffen der Eingeborenen, ich besch"aftigte mich mit hundert kleinen Dingen, um mich wach zu halten. Aber all dies ging nur, solang die Kraft von Europa her in mir noch funktionierte; dann trocknete ich ein. Die paar Europ"aer langweilten mich, ich brach den Verkehr ab, trank und tr"aumte in mich hinein. Ich hatte ja nur noch zwei Jahre, dann war ich frei mit Pension, konnte nach Europa zur"uckkehren, noch einmal ein Leben anfangen. Eigentlich tat ich nichts mehr als warten. Und so s"asse ich heute noch, wenn nicht sie… wenn das nicht gekommen w"are.“

151

allerhand – всевозможный

Die Stimme im Dunkeln hielt inne. Auch die Pfeife glimmte [152] nicht mehr. So still war es, dass ich mit einem Male wieder das Wasser h"orte. Ich h"atte mir gern eine Zigarette angez"undet, aber ich hatte Furcht vor dem grellen Aufschlag des Z"undholzes und dem Reflex in seinem Gesicht. Er schwieg und schwieg. Ich wusste nicht, ob er zu Ende sei oder ob er schlief, so tot war sein Schweigen. Da schlug die Schiffsglocke einen geraden, kr"aftigen Schlag: ein Uhr. Er fuhr auf; ich h"orte wieder das Glas klingen. Offenbar tastete die Hand suchend zum Whisky hinab. Ein Schluck gluckste leise – dann pl"otzlich begann die Stimme wieder, aber jetzt gleichsam gespannter, leidenschaftlicher.

152

glimmenтлеть

„Ja also… warten Sie… ja also, das war so. Ich sitze da droben [153] in meinem verfluchten Nest. Es war gerade nach der Regenzeit, kein Mensch war gekommen, kein Europ"aer, t"aglich hatte ich dagesessen mit meinen gelben Weibern im Haus und meinem guten Whisky. Ich war damals ganz europakrank; wenn ich irgendeinen Roman las von hellen Strassen und weissen Frauen, begannen mir die Finger zu zittern. Ich kann Ihnen den Zustand nicht ganz schildern, es ist eine Art Tropenkrankheit, eine w"utige, fiebrige und doch kraftlose Nostalgie. So sass ich damals, ich glaube "uber einem Atlas, und tr"aumte mir Reisen aus. Da klopft es aufgeregt an die T"ur, der Boy steht draussen und eines von den Weibern, beide haben die Augen ganz aufgerissen vor Erstaunen. Sie machen grosse Geb"arden [154] : eine Dame sei hier, eine Lady, eine weisse Frau. Ich fahre auf. Ich habe keinen Wagen kommen geh"ort, kein Automobil. Eine weisse Frau hier in dieser Wildnis?

153

droben – там наверху

154

Geb"arde, f – жест

Ich will die Treppe hinab, reisse mich aber noch zur"uck. Ich bin nerv"os, unruhig, denn ich weiss niemanden auf der Welt, der aus Freundschaft zu mir k"ame. Endlich gehe ich hinunter. Im Vorraum wartet die Dame und kommt mir hastig entgegen. Ein dicker Automobilschleier [155] verh"ullt ihr Gesicht. Ich will sie begr"ussen, aber sie f"angt mir rasch das Wort ab.

„Guten Tag, Doktor“, sagt sie auf Englisch in einer fliessenden Art. „Verzeihen Sie, dass ich sie "uberfalle. Aber wir waren gerade in der Station, unser Auto h"alt dr"uben“ – warum f"ahrt sie nicht bis vors Haus, schiesst es mir blitzschnell durch den Kopf – „da erinnerte ich mich, dass Sie hier wohnen. Ich habe schon so viel von Ihnen geh"ort, Sie haben ja eine wirkliche Zauberei mit dem Vizeresidenten gemacht, sein Bein ist wieder in Ordnung, er spielt Golf wie fr"uher. Ah, ja, alles spricht noch davon drunten bei uns, und wir wollten alle unseren brummigen [156] Surgeon [157] und noch die zwei andern hergeben, wenn Sie zu uns k"amen. "Uberhaupt, warum sieht man Sie nie drunten, Sie leben ja wie ein Joghi…“

155

Automobilschleier, m – дорожная вуаль

156

brummig – ворчливый

157

Surgeon (англ.) – хирург

Und so plappert sie weiter, ohne mich zu Worte kommen zu lassen. Etwas Nerv"oses ist in diesem Geschw"atz, und ich werde selbst unruhig davon. Warum spricht sie so viel, frage ich mich innerlich, warum stellt sie sich nicht vor, warum nimmt sie den Schleier nicht ab? Hat sie Fieber? Ist sie krank? Ich werde immer nerv"oser, weil ich die L"acherlichkeit empfinde, so stumm vor ihr zu stehen. Endlich stoppt sie ein wenig, und ich kann sie hinaufbitten. Sie macht dem Boy eine Bewegung, zur"uckzubleiben, und geht vor mir die Treppe empor.

„Nett haben Sie es hier“, sagt sie, in meinem Zimmer sich umsehend. „Ah, die sch"onen B"ucher! die m"ochte ich alle lesen!“ Sie tritt an das Regal und mustert die B"uchertitel. Zum ersten Mal, seit ich ihr entgegengetreten, schweigt sie f"ur eine Minute. „Darf ich Ihnen einen Tee anbieten?“ frage ich. Sie wendet sich nicht um und sieht nur auf die B"uchertitel. „Nein, danke, Doktor… wir m"ussen gleich wieder weiter… ich habe nicht viel Zeit… war ja nur ein kleiner Ausflug… Ach, da haben Sie auch den Flaubert [158] , den liebe ich so sehr… wundervoll, ganz wundervoll, die “Education sentimentale„… ich sehe, Sie lesen auch franz"osisch… Was Sie alles k"onnen!.. ja, die Deutschen, die lernen alles auf der Schule… Wirklich grossartig, so viel Sprachen zu k"onnen!..Der Vizeresident schw"ort auf Sie, sagt immer, Sie seien der einzige, dem er unter das Messer ginge… "Ubrigens wissen Sie – (sie wendete sich noch immer nicht um) heute kams mir selbst in den Sinn, ich sollte Sie einmal konsultieren… und weil wir eben vor"uberfuhren, dachte ich… nun, Sie haben jetzt wohl zu tun… ich komme lieber ein andermal.“

158

Гюстав Флобер «Воспитание чувств», 1869 г.

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