Немецкий с любовью. Новеллы / Novellen
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Wieder ein Z"ogern. Wieder ein Schweigen… Wieder nur dies Rauschen, als ob das Mondlicht str"omte. Und dann endlich wieder die Stimme. „Die T"ur schlug zu… aber ich stand unbeweglich an der Stelle… ich war gleichsam hypnotisiert von dem Befehl… ich h"orte sie die Treppe hinabsteigen, die Haust"ur zumachen… ich h"orte alles, und mein ganzer Wille dr"angte ihr nach… sie… ich weiss nicht was… sie zur"uckzurufen oder zu schlagen oder zu erdrosseln [188] … aber ihr nach… ihr nach… Und doch konnte ich nicht. Meine Glieder [189] waren gleichsam gel"ahmt [190] wie von einem elektrischen Schlag… ich war eben getroffen von dem herrischen Blitz dieses Blickes… Ich weiss, das ist nicht zu erkl"aren, nicht zu erz"ahlen… aber ich stand und stand… ich brauchte Minuten, vielleicht f"unf, vielleicht zehn Minuten, ehe ich einen Fuss wegreissen konnte von der Erde… Aber kaum dass ich einen Fuss ger"uhrt, war ich schon heiss, war ich schon rasch……Sie konnte ja nur die Strasse hinabgegangen sein zur Zivilstation… ich st"urzte in den Schuppen, das Rad zu holen, sehe, dass ich den Schl"ussel vergessen habe, reisse den Verschlag auf, dass der Bambus splittert und kracht [191] … und schon schwinge ich mich auf das Rad und sause ihr nach… ich muss sie… ich muss sie erreichen, ehe sie zu ihrem Automobil gelangt… ich muss sie sprechen… Die Strasse staubt an mir vorbei… jetzt merke ich erst, wie lange ich oben gestanden haben musste… da… auf der Kurve im Wald knapp vor der Station sehe ich sie, wie sie hastig mit steifem geradem Schritt hineilt, begleitet von dem Boy… Aber auch sie muss mich gesehen haben, denn sie spricht jetzt mit dem Boy, der zur"uckbleibt, und geht allein weiter.
188
erdrosseln –
189
Glied, n – конечность
190
gel"ahmt – парализованный
191
krachen – грохотать
… Was will sie tun? Warum will sie allein sein?… Will sie mit mir sprechen, ohne dass er es h"ort?… Blindw"utig trete ich in die Pedale hinein… Da springt mir pl"otzlich quer von der Seite etwas "uber den Weg… der Boy… ich kann gerade noch das Rad zur Seite reissen und krache hin… Ich stehe fluchend auf… unwillk"urlich hebe ich die Faust, [192] um dem T"olpel [193] eines hinzuknallen, aber er springt zur Seite… Ich r"uttle mein Fahrrad hoch, um wieder aufzusteigen… Aber da springt der Halunke [194] vor, fasst das Rad und sagt in seinem erb"armlichen Englisch: „You remain here [195] .“
192
Faust, f – кулак
193
T"olpel, m – увалень
194
Halunke, m – негодяй
195
You remain here (англ.) – Вы остаётесь здесь
Sie haben nicht in den Tropen gelebt… Sie wissen nicht, was das f"ur eine Frechheit ist, wenn ein solcher gelber Halunke einem weissen „Herrn“ das Rad fasst und ihm, dem „Herrn“ befiehlt, dazubleiben. Statt aller Antwort schlage ich ihm die Faust ins Gesicht… er taumelt [196] , aber er h"alt das Rad fest… seine Augen, seine engen, feigen Augen sind weit aufgerissen in sklavischer Angst… aber er h"alt die Stange, h"alt sie teuflisch fest… „You remain here“, stammelt er noch einmal. Zum Gl"uck hatte ich keinen Revolver bei mir. Ich h"atte ihn sonst niedergeknallt. „Weg, Kanaille!“ sage ich nur. Er starrt mich geduckt [197] an, l"asst aber die Stange nicht los. Ich schlage ihm noch einmal auf den Sch"adel, er l"asst noch immer nicht. Da fasst mich die Wut… ich sehe, dass sie schon fort, vielleicht schon entkommen ist… und versetze ihm einen Boxerschlag unters Kinn, dass er runterf"allt. Jetzt habe ich wieder mein Rad… aber wie ich aufspringe, stockt [198] der Lauf… bei dem Zerren hat sich die Speiche [199] verbogen… Ich versuche mit fiebernden H"anden sie geradezudrehen… Es geht nicht… so schmeisse ich das Rad quer auf den Weg neben den Halunken hin, der blutend aufsteht und zur Seite weicht… Und dann – nein, Sie k"onnen nicht f"uhlen, wie l"acherlich das dort vor allen Menschen ist, wenn ein Europ"aer… nun, ich wusste nicht mehr, was ich tat… ich hatte nur den einen Gedanken: ihr nach, sie erreichen… und so lief ich, lief wie ein Rasender [200] die Landstrasse entlang vorbei an den H"utten, wo das gelbe Gesindel staunend sich vordr"angte, einen weissen Mann, den Doktor, laufen zu sehen.
196
taumeln – шататься
197
geduckt – сгорбившись
198
stocken – застревать
199
Speiche, f – спица
200
rasend – бешеный
Schweisstriefend kam ich in der Station an… Meine erste Frage: Wo ist das Auto?… Eben weggefahren… Verwundert sehen mich die Leute an: als Rasender muss ich ihnen erscheinen, wie ich da nass und schmierig [201] ankam, die Frage voranschreiend, ehe ich noch stand… Unten an der Strasse sehe ich weiss den Qualm des Autos wirbeln… es ist ihr gelungen… gelungen, wie alles ihrer harten, grausam harten Berechnung gelingen muss.
Aber die Flucht hilft ihr nichts… In den Tropen gibt es kein Geheimnis unter den Europ"aern… einer kennt den andern, alles wird zum Ereignis… Nicht umsonst ist ihr Chauffeur eine Stunde im Bungalow der Regierung gestanden… in einigen Minuten weiss ich alles… Weiss, wer sie ist… dass sie unten in – nun in der Regierungsstadt wohnt, acht Eisenbahnstunden von hier… dass sie – nun sagen wir, die Frau eines Grosskaufmannes ist, rasend reich, vornehm, eine Engl"anderin… ich weiss, dass ihr Mann jetzt f"unf Monate in Amerika war und n"achster Tage eintreffen soll, um sie mit nach Europa zu nehmen… Sie aber – und wie Gift brennt sich mir der Gedanke in die Adern hinein – sie kann h"ochstens zwei oder drei Monate in anderen Umst"anden sein…“
201
schmierig – грязный
„Bisher konnte ich Ihnen noch alles begreiflich machen… vielleicht nur deshalb, weil ich bis zu diesem Augenblicke mich noch selbst verstand… mir als Arzt immer die Diagnose meines Zustandes selbst stellte. Aber von da an begann es wie ein Fieber in mir… ich verlor die Kontrolle "uber mich… das heisst, ich wusste genau, wie sinnlos alles war, was ich tat; aber ich hatte keine Macht mehr "uber mich… ich verstand mich selbst nicht mehr… ich lief nur in der Besessenheit meines Zieles vorw"arts… "Ubrigens, warten Sie… vielleicht kann ich es Ihnen doch begreiflich machen… Wissen Sie, was Amok ist?“
„Amok?… ich glaube mich zu erinnern… eine Art Trunkenheit bei den Malaien…“
„Es ist mehr als Trunkenheit… es ist Tollheit [202] , eine Art menschlicher Hundswut… ein Anfall m"orderischer, sinnloser Monomanie, der sich mit keiner anderen alkoholischen Vergiftung vergleichen l"asst… ich habe selbst w"ahrend meines Aufenthaltes einige Falle studiert – f"ur andere ist man ja immer sehr klug und sehr sachlich – ohne aber je das furchtbare Geheimnis ihres Ursprungs freilegen zu k"onnen… Irgendwie h"angt es mit dem Klima zusammen, mit dieser schw"ulen [203] Atmosph"are, die auf die Nerven wie ein Gewitter dr"uckt, bis sie einmal losspringen…
202
Tollheit, f –
203
schw"ul – душный
Also Amok… ja, Amok, das ist so: Ein Malaie, irgendein ganz einfacher Mensch, trinkt sein Gebr"au [204] in sich hinein… er sitzt da, stumpf, gleichm"utig… so wie ich in meinem Zimmer sass… und pl"otzlich springt er auf, fasst den Dolch [205] und rennt auf die Strasse… rennt geradeaus, immer nur geradeaus… ohne zu wissen wohin… Was ihm in den Weg tritt, Mensch oder Tier, das st"osst er nieder mit seinem Kris, und der Blutrausch macht ihn nur noch hitziger… Er rennt, rennt, rennt, sieht nicht mehr nach rechts, sieht nicht nach links, rennt nur mit seinem gellen Schrei, seinem blutigen Kris in dieses entsetzliche Geradeaus… Die Leute in den D"orfern wissen, dass keine Macht einen Amokl"aufer aufhalten kann… so br"ullen sie warnend voraus, wenn er kommt: „Amok! Amok!“, und alles fl"uchtet… er aber rennt, ohne zu h"oren, rennt, ohne zu sehen, st"osst nieder, was ihm begegnet… bis man ihn totschiesst wie einen tollen Hund oder er selbst sch"aumend zusammenbricht…
204
Gebr"au, n – питьё
205
Dolch, n – кинжал
Einmal habe ich das gesehen, vom Fenster meines Bungalows aus… es war grauenhaft… aber nur dadurch, dass ich gesehen habe, begreife ich mich selbst in jenen Tagen… denn so, genau so, mit diesem furchtbaren Blick geradeaus, ohne nach rechts oder links zusehen, mit dieser Besessenheit st"urmte ich los… dieser Frau nach… Ich weiss nicht mehr, wie ich alles tat, in so rasendem Lauf, in so unsinniger Geschwindigkeit flog es vorbei… Zehn Minuten, nein, f"unf, nein zwei… nachdem ich alles von dieser Frau wusste, ihren Namen, ihr Haus, ihr Schicksal, jagte ich schon auf einem rasch geborgten Rad in mein Haus zur"uck, warf einen Anzug in den Koffer, steckte Geld zu mir und fuhr zur Station der Eisenbahn mit meinem Wagen… fuhr, ohne mich abzumelden beim Distriktbeamten… ohne einen Vertreter zu ernennen, liess das Haus offen stehen und liegen, wie es war… Um mich standen Diener, die Weiber staunten und fragten, ich antwortete nicht, wandte mich nicht um… fuhr zur Eisenbahn und mit dem n"achsten Zug hinab in die Stadt… Eine Stunde im Ganzen, nachdem diese Frau in mein Zimmer getreten, hatte ich meine Existenz hinter mich geworfen und rannte Amok ins Leere hinein… Geradeaus rannte ich, mit dem Kopf gegen die Wand… um sechs Uhr abends war ich angekommen… um sechs Uhr zehn war ich in ihrem Haus und liess mich melden… Es war… Sie werden es verstehen… das Sinnloseste, das Stupideste, was ich tun konnte…aber der Amokl"aufer rennt ja mit leeren Augen, er sieht icht, wohin er rennt… Nach einigen Minuten kam der Diener zur"uck… h"oflich und k"uhl… die gn"adige Frau sei nicht wohl und k"onne nicht empfangen… Ich taumelte [206] die T"ure hinaus… Eine Stunde schlich ich noch um das Haus herum, besessen von der wahnwitzigen Hoffnung, sie w"urde vielleicht nach mir suchen… dann nahm ich mir erst ein Zimmer im Strandhotel und zwei Flaschen Whisky auf das Zimmer… die und eine doppelte Dosis Veronal halfen mir… ich schlief endlich ein… und dieser dumpfe Schlaf war die einzige Pause in diesem Rennen zwischen Leben und Tod.“
206
taumeln – шататься
Die Schiffsglocke klang. Zwei harte, volle Schl"age. Der Mensch im Dunkeln mir gegen"uber musste erschreckt aufgefahren sein, seine Rede stockte. Wieder h"orte ich die Hand hinab zur Flasche fingern, wieder das leise Glucksen. Dann begann er, gleichsam beruhigt, mit einer festeren Stimme. „Die Stunden von diesem Augenblick an kann ich Ihnen kaum erz"ahlen. Ich glaube heute, dass ich damals Fieber hatte, jedenfalls war ich in einer Art "Uberreiztheit, die an Tollheit grenzte – ein Amokl"aufer, wie ich Ihnen sagte. Aber vergessen Sie nicht, es war Dienstagnachts, als ich ankam, Samstag aber sollte – dies hatte ich inzwischen erfahren – ihr Gatte mit dem P. & O.-Dampfer von Yokohama eintreffen, es blieben also nur drei Tage, drei knappe Tage f"ur den Entschluss und f"ur die Hilfe. Verstehen Sie das: ich wusste, dass ich ihr sofort helfen musste, und konnte doch kein Wort zu ihr sprechen. Und gerade dieses Bed"urfnis, das hetzte [207] mich weiter. Ich wusste um die Kostbarkeit jedes Augenblickes, ich wusste, dass es f"ur sie um Leben und Tod ginge, und hatte doch keine M"oglichkeit, mit einem Zeichen ihr zu n"ahern, denn gerade das St"urmische [208] meines Nachrennens hatte sie erschreckt. Es war… ja, warten Sie… es war, wie wenn einer einem nachrennt, um ihn zu warnen vor einem M"order, und der andere h"alt ihn selbst f"ur den M"order, und so rennt er weiter in sein Verderben… sie sah nur den Amokl"aufer in mir, der sie verfolgte, um sie zu dem"utigen, aber ich… das war ja der entsetzliche Widersinn… ich dachte gar nicht mehr an das… ich war ja schon ganz vernichtet, ich wollte ihr nur helfen, ihr nur dienen… einen Mord h"atte ich getan, ein Verbrechen, um ihr zu helfen… Aber sie, sie verstand es nicht. Als ich morgens aufwachte und gleich wieder hinlief zu ihrem Haus, stand der Boy vor der T"ur, derselbe Boy, den ich ins Gesicht geschlagen, und wie er mich von ferne sah – er musste auf mich gewartet haben, – huschte er hinein in die T"ur. Vielleicht tat er es nur, um mich im geheimen anzumelden… vielleicht… ah, diese Ungewissheit, wie peinigt [209] sie mich jetzt… vielleicht war schon alles bereit, mich zu empfangen… aber da, wie ich ihn sah, mich erinnerte an meine Schmach, da war ich es wieder, der nicht wagte, noch einmal den Besuch zu wiederholen… Die Knie zitterten mir. Knapp vor der Schwelle drehte ich mich um und ging wieder fort… ging fort, w"ahrend sie vielleicht in "ahnlicher Qual auf mich wartete.
207
hetzen – травить
208
st"urmisch – буйный
209
peinigen – мучить
Ich wusste jetzt nicht mehr, was tun in der fremden Stadt, die an meinen Fersen wie Feuer gl"uhte… Pl"otzlich fiel mir etwas ein, schon rief ich einen Wagen und fuhr zum Vizeresidenten, zu demselben, dem ich damals in meiner Station geholfen, und liess mich melden… Irgendetwas muss schon in meinem "aussern Wesen befremdend gewesen sein, denn er sah mich mit einem gleichsam erschreckten Blick an, und seine H"oflichkeit hatte etwas Beunruhigtes… vielleicht erkannte er schon den Amokl"aufer in mir… Ich sagte ihm kurz entschlossen, ich erb"ate meine Versetzung in die Stadt, ich k"onne auf meinem Posten nicht mehr l"anger existieren… ich m"usse sofort "ubersiedeln… Er sah mich… ich kann Ihnen nicht sagen, wie er mich ansah… so wie eben ein Arzt einen Kranken ansieht… „Ein Nervenzusammenbruch, lieber Doktor“, sagte er dann, „ich verstehe das nur zu gut. Nun, es wird sich schon richten lassen; aber warten Sie… sagen wir vier Wochen… ich muss erst einen Ersatz finden.“ „Ich kann nicht warten, nicht einen Tag“, antwortete ich. Wieder kam dieser merkw"urdige Blick.