Немецкий с любовью. Новеллы / Novellen
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Also auch in ihr war Nervosit"at. Dann sagte sie pl"otzlich rasch: „Wissen Sie, Doktor, was ich von Ihnen will, oder wissen Sie es nicht?“
„Ich glaube es zu wissen. Aber seien wir lieber ganz deutlich. Sie wollen Ihrem Zustand ein Ende bereiten… Sie wollen, dass ich Sie von Ihrer Ohnmacht, Ihren "Ubelkeiten befreie, indem ich… indem ich die Ursache beseitige. Ist es das?“
„Ja.“
Wie ein Fallbeil [168] zuckte das Wort.
168
Fallbeil, n – гильотина
„Wissen Sie auch, dass solche Versuche gef"ahrlich sind… f"ur beide Teile…?“
„Ja.“
„Dass es gesetzlich mir untersagt ist?“
„Es gibt M"oglichkeiten, wo es nicht untersagt [169] , sondern sogar geboten ist.“
„Aber diese erfordern eine "arztliche Indikation.“
„So werden Sie diese Indikation finden. Sie sind Arzt.“
Klar, ohne zu zucken, blickten mich ihre Augen dabei an. Es war ein Befehl. Aber ich kr"ummte mich noch, ich wollte nicht zeigen, dass ich schon zertreten war. – „Nur nicht zu rasch! Umst"ande machen! Sie zur Bitte zwingen“, funkelte in mir irgendein Gel"ust [170] .
169
untersagen –
170
Gel"ust – вожделение
„Das liegt nicht immer im Willen des Arztes. Aber ich bin bereit, mit einem Kollegen im Krankenhaus…“
„Ich will Ihren Kollegen nicht… ich bin zu Ihnen gekommen.“
„Darf ich fragen, warum gerade zu mir?“
Sie sah mich kalt an.
„Ich habe keine Bedenken, es Ihnen zu sagen. Weil Sie abseits wohnen, weil Sie mich nicht kennen – weil Sie ein guter Arzt sind, und weil Sie…“ – jetzt z"ogerte sie zum ersten Male – „wohl nicht mehr lange in dieser Gegend bleiben werden, besonders wenn Sie… wenn Sie eine gr"ossere Summe nach Hause bringen k"onnen.“
Mich "uberliefs kalt. Diese Kaufmannsklarheit der Berechnung bet"aubte mich. Bisher hatte sie ihre Lippen noch nicht zur Bitte aufgetan – aber alles l"angst auskalkuliert, mich erst umlauert und dann aufgesp"urt. Ich sp"urte, wie das D"amonische ihres Willens in mich eindrang, aber ich wehrte [171] mich mit all meiner Erbitterung. Noch einmal zwang ich mich, sachlich – ja fast ironisch zu sein. „Und diese grosse Summe w"urden Sie… w"urden Sie mir zur Verf"ugung stellen?“
171
wehren – оказывать сопротивление
„F"ur Ihre Hilfe und sofortige Abreise.“
„Wissen Sie, dass ich dadurch meine Pension verliere?“
„Ich werde sie Ihnen entsch"adigen [172] .“
„Sie sind sehr deutlich… Aber ich will noch mehr Deutlichkeit. Welche Summe haben Sie als Honorar in Aussicht genommen?“
„Zw"olftausend Gulden, zahlbar auf Scheck in Amsterdam.“
Ich… zitterte… ich zitterte vor Zorn und… ja auch vor Bewunderung. Alles hatte sie berechnet, die Summe und die Art der Zahlung, durch die ich zur Abreise gen"otigt war, sie hatte mich gekauft, ohne mich zu kennen. Am liebsten h"atte ich ihr ins Gesicht geschlagen… Aber wie ich zitternd aufstand – auch sie war aufgestanden – und ihr gerade Auge in Auge starrte, da "uberkam mich pl"otzlich bei dem Blick auf diesen verschlossenen Mund, der nicht bitten, auf ihre hochm"utige Stirn, die sich nicht beugen wollte… eine… eine Art gewaltt"atiger [173] Gier. Sie musste irgendetwas davon f"uhlen, denn sie spannte ihre Augenbrauen hoch: der Hass zwischen uns war pl"otzlich nackt. Ich wusste, sie hasste mich, weil sie mich brauchte, und ich hasste sie, weil… weil sie nicht bitten wollte. Diese eine, diese eine Sekunde Schweigen sprachen wir zum ersten Mal ganz aufrichtig [174] zueinander. Dann biss sich pl"otzlich wie ein Reptil mir ein Gedanke ein, und ich sagte ihr… ich sagte ihr… Aber warten Sie, so w"urden Sie es falsch verstehen, was ich tat…ich muss Ihnen erst erkl"aren, wie… wieso dieser wahnsinnige Gedanke in mich kam…“ Wieder klirrte [175] leise im Dunkel das Glas. Und die Stimme wurde erregter.
172
entsch"adigen – возмещать
173
gewaltt"agier – насильственный
174
aufrichtig – откровенный
175
klirren – звенеть
„Nicht, dass ich mich entschuldigen will… Aber Sie verstehen es sonst nicht… Ich weiss nicht, ob ich je so etwas wie ein guter Mensch gewesen bin, aber… ich glaube, hilfreich war ich immer… In dem dreckigen Leben da dr"uben war das ja die einzige Freude, irgendeinem St"uck Leben den Atem erhalten zu k"onnen… so eine Art Herrgottsfreude… Wirklich, es waren meine sch"onsten Augenblicke. So ein gelber Bursch kam, blauweiss vor Schrecken, einen Schlangenbiss im hochgeschwollenen Fuss, und schon heulte, man solle ihm das Bein nicht abschneiden, und ich kriegte es noch fertig, ihn zu retten. Auch so wie diese es wollte, habe ich geholfen, schon in Europa dr"uben in der Klinik. Aber da sp"urte man wenigstens, dass dieser Mensch einen brauchte, da wusste man, dass man jemand vom Tode rettete oder vor der Verzweiflung – und das braucht man eben selbst zum Helfen, dies Gef"uhl, dass der andere einen braucht. Aber diese Frau – ich weiss nicht, ob ich es Ihnen schildern kann – sie regte mich auf, reizte [176] mich von dem Augenblick, da sie scheinbar promenierend hereinkam, durch ihren Hochmut [177] zu einem Widerstand, sie reizte alles – wie soll ich sagen – sie reizte alles Versteckte, alles B"ose in mir. Dass sie Lady spielte, unnahbar k"uhl ein Gesch"aft entrierte, wo es um Tod und Leben ging, das machte mich toll… Und dann… dann… schliesslich wird man doch nicht schwanger von den Golfspielen… ich wusste… das heisst, ich musste pl"otzlich mit einer – und das war jener Gedanke – mit einer entsetzlichen Deutlichkeit mich daran erinnern, dass diese Hochm"utige, diese Kalte, die steil die Augenbrauen "uber ihre st"ahlernen Augen hochzog, als ich sie nur abwehrend… ja fast wegstossend anblickte, dass sie sich zwei oder drei Monate vorher heiss im Bett mit einem Mann gew"alzt hatte, nackt wie ein Tier und vielleicht st"ohnend vor Lust, die K"orper ineinander verbissen wie zwei Lippen… Das, das war der brennende Gedanke, der mich "uberfiel, als sie mich so hochm"utig, so k"uhl, ganz wie ein englischer Offizier anblickte… und da, da spannte sich alles in mir… ich war besessen von der Idee, sie zu erniedrigen [178] … von dieser Sekunde sah ich durch das Kleid ihren K"orper nackt… von dieser Sekunde an lebte ich nur im Gedanken, sie zu besitzen, ein St"ohnen aus ihren harten Lippen zu pressen, diese Kalte, diese Hochm"utige in Wollust zu f"uhlen so wie jener, jener andere, den ich nicht kannte. Das… das wollte ich Ihnen erkl"aren… Ich habe nie, so verkommen [179] ich war, sonst als Arzt die Situation zu nutzen gesucht… Aber diesmal war es ja nicht Geilheit [180] , nichts Sexuelles, wahrhaftig nicht… ich w"urde es ja eingestehen… nur die Gier, eines Hochmuts Herr zu werden… Herr als Mann… Ich sagte es Ihnen, glaube ich, schon, dass hochm"utige, scheinbar k"uhle Frauen von je "uber mich Macht hatten… aber jetzt, jetzt kam noch dies dazu, dass ich sieben Jahre hier lebte, ohne eine weisse Frau gehabt zu haben, dass ich Widerstand nicht kannte… Denn diese M"adchen hier, die zittern ja vor Ehrfurcht [181] , wenn ein Weisser, ein „Herr“, sie nimmt… aber gerade diese Unterw"urfigkeit [182] , dieses Sklavische verschweint einem den Genuss… Verstehen Sie jetzt, wie das dann auf mich wirkte, wenn da pl"otzlich eine Frau kam, voll von Hochmut und Hass, verschlossen bis an die Fingerspitzen, zugleich funkelnd von Geheimnis und beladen mit fr"uherer Leidenschaft… wenn eine solche Frau in den K"afig eines solchen Mannes, einer so vereinsamten, verhungerten, abgesperrten Menschenbestie eintritt… Das… das wollte ich nur sagen, damit Sie das andere verstehen… das, was jetzt kam. Also… voll von irgendeiner b"osen Gier, vergiftet von dem Gedanken an sie, nackt, ballte ich mich gleichsam zusammen und t"auschte Gleichg"ultigkeit [183] vor. Ich sagte k"uhl: „Zw"olftausend Gulden?… Nein, daf"ur werde ich es nicht tun.“
176
reizen –
177
Hochmut, m – высокомерие
178
erniedrigen – унижать
179
verkommen – опускаться
180
Geilheit, f – страстность
181
Ehrfurcht, f – почтение
182
Unterw"urfigkeit, f – покорность
183
Gleichg"ultigkeit, f – равнодушие
Sie sah mich an, ein wenig blass. Sie sp"urte wohl schon, dass in diesem Widerstand nicht Geldgier war. Aber doch sagte sie: „Was verlangen Sie also?“
Ich ging auf den k"uhlen Ton nicht mehr ein. „Spielen wir mit offenen Karten. Ich bin kein Gesch"aftsmann… ich bin nicht der arme Apotheker aus Romeo und Julia, der f"ur „corrupted gold“ sein Gift verkauft… ich bin vielleicht das Gegenteil eines Gesch"aftsmannes… auf diesem Wege werden Sie Ihren Wunsch nicht erf"ullt sehen.“
„Sie wollen es also nicht tun?“
„Nicht f"ur Geld.“
Es wurde ganz still f"ur eine Sekunde zwischen uns. So still, dass ich sie zum ersten Mal atmen h"orte. „Was k"onnen Sie denn sonst w"unschen?“
Jetzt hielt ich mich nicht mehr.
„Ich w"unsche zuerst, dass Sie… dass Sie zu mir nicht wie zu einem Kr"amer [184] reden, sondern wie zu einem Menschen. Dass Sie, wenn Sie Hilfe brauchen, nicht… nicht gleich mit Ihrem sch"andlichen Geld kommen… sondern bitten… mich, den Menschen, bitten, Ihnen, dem Menschen, zu helfen… Ich bin nicht nur Arzt, ich habe nicht nur Sprechstunden… ich habe auch andere Stunden… vielleicht sind Sie in eine solche Stunde gekommen…“
184
Kr"amer, m – торгаш
Sie schweigt einen Augenblick. Dann kr"ummt sich ihr Mund ganz leicht, zittert und sagt rasch: „Also wenn ich Sie bitten w"urde… dann w"urden Sie es tun?“
„Sie wollen schon wieder ein Gesch"aft machen – Sie wollen nur bitten, wenn ich erst verspreche. Erst m"ussen Sie mich bitten – dann werde ich ihnen antworten.“
Sie wirft den Kopf hoch wie ein trotziges Pferd. Zornig sieht sie mich an.
„Nein – ich werde Sie nicht bitten. Lieber zugrunde gehen [185] !“
185
zugrunde gehen – гибнуть
Da packte mich der Zorn, der rote, sinnlose Zorn.
„Dann werde ich fordern, wenn Sie nicht bitten wollen. Ich glaube, ich muss nicht erst deutlich sein – Sie wissen, was ich von Ihnen begehre. Dann – dann werde ich ihnen helfen.“
Einen Augenblick starrte sie mich an. Dann – oh, ich kann, ich kann nicht sagen, wie entsetzlich das war – dann spannten [186] sich ihre Z"uge, und dann… dann lachte sie mit einem Male…Es war wie eine Explosion, so pl"otzlich, so aufspringend, so m"achtig losgesprengt von einer ungeheuren Kraft, dieses Lachen der Ver"achtlichkeit, dass ich… ja, dass ich h"atte zu Boden sinken k"onnen und ihre F"usse k"ussen. Eine Sekunde dauerte es nur… es war wie ein Blitz, und ich hatte das Feuer im ganzen K"orper… da wandte sie sich schon und ging hastig auf die T"ur zu. Unwillk"urlich wollte ich ihr nach… mich entschuldigen… sie anflehen… meine Kraft war ja ganz zerbrochen… da kehrte sie sich noch einmal um und sagte… nein, sie befahl: „Unterstehen [187] Sie sich nicht, mir zu folgen oder nachzusp"uren… Sie w"urden es bereuen.“ Und schon krachte hinter ihr die T"ure zu.“
186
spannen – окаменеть
187
unterstehen – осмеливаться